Multitalent Axel Ranisch - der „Tatort“-Experimentator

Berlin (dpa) - Er ist der Mann, der vor einem Jahr die „Tatort“-Welt mit dem improvisierten Krimi „Babbeldasch“ in Wallung brachte und eine Debatte über zu viele Experimente in der ARD-Reihe auslöste: der 34 Jahre alte Filmemacher Axel Ranisch.

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Am Sonntag (4. März, 20.15 Uhr) steht sein zweiter „Tatort“ mit Ulrike Folkerts als Lena Odenthal im Programm des Ersten: der Gruselkrimi „Waldlust“.

Die „Bild“ nannte Ranischs ersten Odenthal-Krimi den „schlechtesten "Tatort" aller Zeiten“ (SchleTaZ) und warnte damals bereits vor dem zweiten, der bereits abgedreht war.

Der Unterschied bei der Produktion ohne festes Drehbuch ist diesmal, dass mehr Profi-Schauspieler agieren und nicht fast ausschließlich Laien und Amateurschauspieler wie bei „Babbeldasch“. Die Darsteller erfuhren erst kurz vor der Szene die jeweilige Handlung.

Der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres, sagte der „Bild am Sonntag“ nach der „Babbeldasch“-Ausstrahlung vor einem Jahr, Experimente seien ja okay, „solange es nicht in einen Wettlauf der Redaktionen mündet, wer den abgedrehtesten Film produziert“. Später wurde dann bekannt, dass ARD-intern über eine Beschränkung von Experimenten beim „Tatort“ - auf zwei pro Jahr - nachgedacht wird, wobei unklar blieb, was eigentlich als Experiment gilt und was nicht, wer das wann und wie einschätzt oder zählt.

Auslöser für die inzwischen unübersichtliche Debatte war Ranischs Krimi, der im Februar 2017 nur 6,34 Millionen Zuschauer hatte. Bei erneut geringer Quote könnte die Diskussion wieder aufflammen

Ranisch selbst sagt dazu ein Jahr nach „Babbeldasch“: „Wir haben mit großer Leidenschaft ein wildes Experiment gewagt. Einige haben uns dafür gefeiert, andere fanden es fürchterlich. Natürlich trifft mich Kritik. Ich möchte schließlich auch nur geliebt werden.“ Einsichtig sei er deshalb aber noch lange nicht: „Wenn wir nichts mehr wagen und uns in vorauseilendem Gehorsam selbst beschneiden, nur um nicht anzuecken, dann können wir das Filmemachen auch sein lassen.“

Bammel vor der Ausstrahlung seines zweiten „Tatorts“ habe er jedenfalls nicht: „Ich hab die Kritik zum ersten ja auch verkraftet. Doller kann's kaum werden.“ Kritik aus der ARD habe er keine direkt bekommen: „Das Experiment war eine Gemeinschaftstat. Die ganze SWR-Redaktion stand geschlossen hinter mir und dem Film.“

ARD-Zuschauer kennen Ranisch auch als Darsteller des pausbäckigen Ermittlers Schröder - aus der MDR-Krimireihe „Zorn“. Ende Februar erschien zudem sein erster Roman „Nackt über Berlin“, in dem zwei Teenager ihren Rektor in dessen eigener Wohnung einsperren.

Seit Jahren macht der Berliner als Regisseur von sich reden. Ranisch inszenierte bereits in München an der Staatsoper und brachte kürzlich am Jugendtheater Parkaue in Berlin den Christine-Nöstlinger-Klassiker „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“ auf die Bühne. Als sein filmischer Ziehvater gilt Rosa von Praunheim, der Schwulenaktivist mit Hang zum Unkonventionellen („Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“, „Die Bettwurst“), bei dem er unter anderem studierte.

Ranischs originelle Werke drehen sich meist um Außenseiter, etwa der Low-Budget-Film „Dicke Mädchen“ über eine unerwartete Männerliebe oder der Schlagerfilm „Ich fühl mich Disco“. Hochgelobt wurde auch seine einfühlsame Alkoholismus-Tragikomödie „Alki Alki“.

Privat lebt der „Tatort“-Experimentator Ranisch seit einigen Jahren in einer Lebenspartnerschaft: „Noch sind Paul und ich nicht offiziell verheiratet.“ Das will das Paar aber bald mit der Ehe für alle nachholen: „Einzig die Zeit hat es noch nicht erlaubt. Freunde und Familie sind aber ganz scharf auf eine große Feier.“