„Coolster Kanadier“: Der Moderatoren-Superstar Jian Ghomeshi

New York/Ottawa (dpa) - Schon der Anfang lief nicht gut. Billy Bob Thornton rollte die Augen und starrte missmutig vor sich hin, während der kanadische Moderator Jian Ghomeshi ihn als den Interview-Gast seiner Radioshow ankündigte.

Keine Begrüßung, kein Lächeln, nichts. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, antwortete der Ex-Mann von Hollywood-Star Angelina Jolie mit zusammengekniffenen Lippen und wirrem Gesichtsausdruck auf die erste Frage - und auch die folgenden blockte er mit unfreundlichem Grummeln ab. Aber Ghomeshi blieb ruhig und lenkte das Alptraum-Interview mit diplomatischem Gespür und nicht enden wollender Höflichkeit doch noch zurück in die Spur.

Ein Image-Desaster für den US-Schauspieler - und der Beginn der Erfolgsspur für den heute 46-jährigen Moderator Ghomeshi. Das 2011 entstandene Interview, das bereits mehr als drei Millionen Menschen bei YouTube angeklickt haben, war nach Meinung vieler Experten der Grundstein für die Karriere des in London geborenen Kanadiers. Seine tägliche Show „Q“ lief da zwar schon seit rund vier Jahren, aber erst das in Nordamerika inzwischen legendäre Thornton-Interview machte den meist in Jeans und Hemd gekleideten Ghomeshi mit den schwarzen Augen, dem strahlenden Lächeln und der angenehmen Bariton-Stimme zu Kanadas Radio- und Fernseh-Superstar.

In Kanada ist er wohl etwa so bekannt wie Thomas Gottschalk in Deutschland. Ghomeshi sei der „coolste aller Kanadier“, lobte jüngst sogar der einflussreiche US-Blogger Jeff Jarvis. „Q“ ist längst die beliebteste Radio-Show Kanadas. Mehr als 2,5 Millionen Kanadier hören jede Woche die tägliche Sendung beim staatlichen Sender CBC über Politik, Kultur und Sport. Die Einschaltquoten sind in den vergangenen drei Jahren nach Angaben des Senders jeweils um rund zehn Prozent gestiegen. Auch mehr als 140 Radiosender in den USA haben die Show ins Programm genommen. Hunderttausende Menschen schauen die jeweils sonntags ausgestrahlte Video-Version im kanadischen Fernsehen oder im Internet.

Mehr als 60 Millionen Menschen haben sich schon in den YouTube-Kanal der Show eingeklickt. Die Zuschauertickets für die Shows sind innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft. „Die Liste der Prominenten, die schon mit Ghomeshi bei "Q" gequatscht haben, liest sich wie ein "Wer ist Wer" der zeitgenössischen Kultur“, schrieb jüngst die „Montreal Gazette“. Musiker wie Neil Young, Joni Mitchell, Tom Waits, Jay-Z oder Drake waren schon in Ghomeshis Studio zu Gast, Schriftsteller wie J.K. Rowling, E.L. James und Salman Rushdie, Filmemacher wie Woody Allen, Künstler wie Ai Weiwei und viele, viele mehr.

„"Q" ist ganz oben auf der Liste für internationale Künstler, die nach Kanada kommen“, sagte der Künstleragent Patrick Sambrook der „Globe and Mail“. „Es ist die Show, in der man sein muss.“ Der inzwischen vielfach preisgekrönte Ghomeshi, der im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern von London in die ostkanadische Provinz Ontario zog, hat mehr als 200 000 Fans beim Kurzmitteilungsdienst Twitter und seine jüngst veröffentlichten Memoiren „1982“ wurden in Kanada sofort zum Bestseller.

„Ich arbeite einfach sehr hart“, sagte der Sohn iranischer Eltern der Zeitung „Globe and Mail“. Das könne für seine Mitarbeiter auch mal stressig werden. Schuld daran sei vor allem sein Vater, sagt Ghomeshi, der auf jede Erfolgsnachricht des Sohnes gesagt habe: „Das ist wunderbar. Dann arbeite bitte noch härter jetzt.“ Jahrelang war Ghomeshi Musiker in der mäßig erfolgreichen Folk-Rock-Band Moxy Früvous. Dann arbeitete sich der David-Bowie-Fan über kleine Jobs bei Radio und Fernsehen hoch.

„Jian hat diese faszinierende Fähigkeit, sich ernsthaft für ein breites Spektrum von Dingen zu interessieren“, sagte der frühere Chef der Radiostation WBEZ in Chicago, Torey Malatia, der „Globe and Mail“. „Er fragt Fragen nicht, weil ihm ein Redakteur das sagt, sondern weil er wirklich neugierig ist und das wissen will. Und die Gäste reagieren freundlich darauf.“

Ein Interview mit David Bowie - Ghomeshis erklärter Lebenstraum - hat noch nicht geklappt. Aber von vielen anderen seiner Helden habe er bei den Gesprächen schon einiges gelernt, sagt Ghomeshi. „Sie sind so neurotisch und voller Ängste wie ich. Auch wenn ich wahrscheinlich doch noch schlimmer bin.“