Der Uranberg
Hamburg (dpa) - Nirgendwo in der einstigen DDR wurde so gut verdient, so fröhlich gefeiert, so kräftig gesoffen und nirgends so früh, an Krebs, Staublunge und Alkoholismus, gestorben wie in Wismut im Erzgebirge.
Denn dort, von der sowjetischen Brudermacht hektisch vorangetrieben, fand der Uranabbau in der DDR statt.
An diesem Mittwoch (20.15 Uhr) blendet der ARD-Film „Der Uranberg“, der bereits auf Arte und im Kino gezeigt wurde, in die Wismuter Stunde Null zurück, als von fetten Löhnen und fröhlichem Feierabend noch keine Rede sein konnte: Die sowjetische Besatzungsmacht witterte die Uran-Vorkommen, auf Teufel komm raus wurde mit dem Abbau angefangen. Über diese Zeit verfasste der Autor Thomas Schulz ein 800-Seiten-Manuskript, sein alter Schulfreund Hans-Werner Honert, Autor und Produzent, schneiderte ein Drehbuch daraus. Regisseur Dror Zahavi inszenierte den Film in Tschechien für 2,7 Millionen Euro in großer Besetzung.
Der zuständige Redakteur des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Werner Voigt, stammt selbst aus der Gegend, kennt die Wismuter Bergleute, „sehr selbstbewusste, auf "ihren" Berg stolze Leute“, wie er sagt. Einer von ihnen ist im Film der Obersteiger Meinel (Christian Redl). Er warnt vor zu hastigen Bohrungen, sieht eine Katastrophe kommen. Die russischen Besatzer schieben ihn als „alten Nazi“ beiseite, sie wollen und brauchen Uran für die Atombombe, mit der sie gegenüber der Atommacht USA das „Gleichgewicht des Schreckens“ schaffen wollen. Aber die Katastrophe kommt.
Eine Klein-Katastrophe im privaten Kreis: Meinels als glühender Antifaschist aus Krieg und Gefangenschaft zurückgekommene Sohn Kurt verliebt sich in die Tochter eines russischen Offiziers, sie erwidert seine Liebe zu einer Zeit strikten Fraternisierungsgebots: Romeo und Julia im Uranbergbau.
Henry Hübchen spielt mit merklichem komödiantischen Behagen den Offizier, Nadja Bobyleva ist seine Tochter Lydia, Vinzenz Kiefer der Kurt. Er kann den Gesinnungswandel seiner Gestalt gut nachvollziehen: „Da ist er wahrscheinlich ganz jung gedrillt worden, hat gar keine andere Chance gehabt. Nun kommt er völlig desillusioniert zurück.“ Der Gedanke, nun eine neue Welt mit aufzubauen, begeistert ihn. Bis er dumpf zu ahnen beginnt, dass so neu diese Welt nicht sein wird.
„Ich musste an meinen Opa denken, der früher mal ein sehr fröhlicher Mensch gewesen sein soll“, sagt Kiefer. „Nach seiner russischen Gefangenschaft war er still, in sich gekehrt, sagte kaum ein Wort. Über die Erinnerung an ihn habe ich Zugang zu meiner Rolle bekommen.“ Die schäbigen Klamotten, die er tragen musste, fand er toll, als Kostüm. „Man bewegt sich gleich ganz anders“. Aber die Zeit selbst, als man solche Klamotten trug, sieht er sich lieber im Film an.
Vor der Kinopremiere stieß der Film auf unterschiedliche Resonanz. Bergleute äußerten sogar Kritik. Hartmut Weiße vom Vorstand des Bergbautraditionsvereins Wismut, merkte bei einer Vorführung in Gera zu Jahresbeginn an, dass der Film „alle Klischees über die Wismut und den Uranerzbergbau aufgreift, aber eigentlich nichts Falsches sagt“. Besonders störte ihn die Rolle Lydias: „Generalstöchter auf dem Schacht - das gab es nicht einmal in einem echten Russenfilm, geschweige denn in der Realität der Wismut des Jahres 1947.“