„Deutschland 83“ feiert Premiere in den USA
New York (dpa) - „Deutschland 83“ ist ein Geisterfahrer auf einer Einbahnstraße. Das deutsche Fernsehen lebt von amerikanischen Serien, deren Qualität von peinlich bis exzellent reicht, aber eine deutsche Serie hat es noch nie ins gelobte Land des Fernsehens geschafft.
Bis jetzt.
Am Mittwoch läuft auf Sundance TV „Deutschland 83“. Es ist eine deutsche Fernsehserie, die noch gar nicht im deutschen Fernsehen war.
Deutsches Fernsehen gilt, um es vorsichtig zu sagen, international als ambivalent. Dokumentationen und Kulturprogramme haben einen exzellenten Ruf, Unterhaltung als höchstens durchschnittlich und spannende Serien aus Deutschland sind in der Regel Fehlanzeige. Während Zuschauer weltweit, auch in Deutschland, von „Breaking Bad“, „Homeland“ oder „Game of Thrones“ schwärmen, erzählt man hierzulande Serien, deren Handlung nach einer Episode abgeschlossen ist.
„Es gibt eine gewisse Geringschätzung für die Serie“, sagt Jörg Winger („Soko Leipzig“). Der Schöpfer der neuen RTL-Produktion „Deutschland 83“ findet das deutsche Fernsehen gut - nur bei den Serien gibt es „einiges zu verbessern“. „Da fehlt einfach die Anerkennung. Auf Filme und Reportagen ist man stolz, aber Serien wurden nie ganz ernst genommen. Erst recht nicht, wenn sich die Handlung über mehrere Episoden erstreckte.“
In „Deutschland 83“ wird ein junger DDR-Soldat nach Westdeutschland geschickt, um die Bundeswehr auszuspionieren. Die Idee hatte Wingers Frau Anne, eine Amerikanerin. „Als mein Mann bei der Bundeswehr war, musste er die russischen Truppen in Sachsen abhören. Und die grüßten die westdeutschen Soldaten dann über Funk mit Namen, weil die die Bundeswehr natürlich auch abhörten.“ Es sollte eine Geschichte aus der DDR in Grautönen werden: „Es gab ja Menschen, die gern in der DDR lebten und sich für sie begeisterten. Über die wollten wir erzählen.“ Bei ihren ostdeutschen Freunden sei die Idee der Serie deshalb auch besonders gut angekommen.
„Irgendwie wäre damals nie einer von uns auf die Idee gekommen, dass jemand freiwillig in der DDR bleibt, ja dieses Land sogar liebt“, sagt Christian Vesper. Der Amerikaner ist Chef von Sundance TV und da laufen die acht Folgen der ersten Staffel ab Mittwoch. „Diese völlig andere Perspektive ist so spannend, dass wir zugreifen mussten.“
„Ich kann mir Deutschland geteilt nicht einmal vorstellen“, sagt der Hauptdarsteller Jonas Nay. Er wurde zwischen Maueröffnung und Wiedervereinigung in Lübeck geboren, quasi auf der Grenze. „Heute sind unsere Freiheiten so weitreichend, dass die Enge der damaligen Zeit unvorstellbar ist.“ Für ihn sei das „Geschichte... seltsame Geschichte.“
Deutsche müssen auf die deutsche Serie noch bis Herbst warten. „Aber das Tor ist aufgestoßen“, sagt der Serienproduzent Nico Hofmann. „Die Welle großartiger deutscher Serien ist nicht zu stoppen.“ Seine Miniserie „Unsere Mütter, unsere Väter“ sei der Anfang gewesen und habe sich in 128 Länder verkauft. „So viel Radikalität, so viel Umbruch wie jetzt hat es im deutschen Fernsehen noch nie gegeben.“
In der Tat bescheinigt selbst die „New York Times“ der deutschen Spionageserie, sie sei „frisch und unterhaltsam und hebt sich mit ihrer jungen Besetzung ab“. Sie sei „erfrischend“ - wenn auch nicht von solcher Tiefe wie „The Americans“. Ohne Frage ist der Text der wichtigsten aller amerikanischen Zeitungen sehr wohlwollend.
Also alles gut? Ist die Revolution längst im Gange, wie Hofmann sagt? Ganz so ist es wohl doch nicht, denn „Deutschland 83“ ist eben nur eine Serie und Sundance TV ist ein Spartensender, in New York auf Kanal 625, der die Serie mit Untertiteln zeigt. Tagesgespräch ist das deutsche Fernsehen also nicht. Und als die drei Hauptdarsteller Jonas Nay (24), Sonja Gerhardt (26) und Ludwig Trepte (27) nach ihren Lieblingsserien gefragt wurden, sprudelten die drei zwar los. Allerdings nannten alle ausschließlich amerikanische Serien.