Edgar Reitz: „Erfolg ist mir nicht mehr wichtig“
München (dpa) - Der Regisseur und Produzent Edgar Reitz ist einer der wenigen Filmemacher, die gegen Hollywood immun geblieben sind. Reitz steht für eine eigene Art des deutschen Films. Am 1. November wird Edgar Reitz 80 Jahre alt.
„Erfolg ist mir nicht mehr wichtig“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Das Filmgeschäft ist jung, trendy und voller Konkurrenz. Wie schafft man es, da mit 80 Jahren noch ganz vorne mitzumischen?
Reitz: „Mit 80 Jahren gibt es diese bestimmte Art von Konkurrenz eigentlich nicht mehr. Da heißt es, der ist doch einer von denen, die etwas zu sagen haben. Es gibt eine Hürde, eine Krise, wenn man so zwischen 60 und 70 ist. Dann hat man auf einmal Gegenwind. Dann hat man das Gefühl, jetzt wollen aber die Jungen endlich ran. Und es gibt auch Leute, die sagen, der soll jetzt abtreten. Aber wenn man auf die 80 zugeht, hört das wieder auf. Mir ist der Erfolg auch nicht mehr so wichtig wie früher. Das schafft eine gewisse Freiheit.“
Sie stammen gebürtig aus dem Hunsrück. Vom Hunsrück nach Hollywood: Wäre das keine steile Formel gewesen?
Reitz: „Hollywood ist ja so eine magische Formel. Ein wirkliches Glücksversprechen ist das nicht. Man versteht darunter im Allgemeinen nur internationale Bekanntheit. Und die habe ich mir mit meinen deutschen Themen und meiner deutschen Machart auch erringen können. Alle Kollegen, die es wirklich versucht haben in Hollywood zu arbeiten, waren unglücklich. Manche, die mal in Amerika waren, wie Volker Schlöndorff, Wim Wenders, Werner Herzog, die kamen zurück und waren eigentlich beschädigt, fühlten sich verwundet davon. Ich wäre nicht ich selbst, wenn ich in Hollywood arbeiten würde. Ich halte es eher wie Federico Fellini, der trotz vieler Angebote immer gesagt hat, sein Talent sei ein europäisches. So ähnlich habe ich das auch immer empfunden.“
Sie haben auch auf deutschem Terrain alles an Höhe- und Tiefpunkten erlebt, was eine lange Karriere ausmacht?
Reitz: „Absolut. Der tiefste Punkt war für mich nach meinem Film 'Der Schneider von Ulm', im Jahre 1978. Das war der teuerste und aufwendigste Film, den ich bis heute gemacht habe. Dieser Film wurde ein Flop. Danach war ich wirtschaftlich ruiniert. Da blieb nichts; Eigentumswohnung weg, Haus weg, kein Auto mehr. Da ist man dann so ganz am Schluss. Aber gerade aus dieser Senke, ist mein Glück erwachsen. Ich habe in dieser Krisenzeit angefangen mit der "Heimat"-Trilogie. Seitdem - das sind jetzt 30 Jahre - heißt alles, was ich bis jetzt gemacht habe 'Heimat'. Aber das ist auch nur ein Etikett. Ich habe irgendwann herausgefunden, dass die Leute einen gerne in eine Schublade stecken und unter dem Etikett „Heimat“ war man mir gewogen. Die Öffentlichkeit, das Publikum, alle wussten, das ist der, der macht Heimat. Also sagte ich na gut, dann nenne ich jetzt jedes meiner Projekte „Heimat“. Und unter dem Namen habe ich fast 40 Filme gedreht.“
An jeder Filmreihe von „Heimat“ 1-3 haben Sie viele Jahre gearbeitet. Warum, weil Sie vom Drehbuch bis zur Endproduktion alles selber gemacht haben?
Reitz: „Ein Spielfilmteam ist ja ein großer Organismus. Zwischen 40 und 70 Menschen umgeben einen da permanent. Und jeder will es gut machen. Aber jeder, der es gut machen will, nimmt einem auch etwas weg. Er verwandelt es in seine Vorstellungswelt, und wo Allerweltsmeinungen sich vermehren, da entstehen schnell Klischees. Sobald man sich aber auf seine eigene Intuition verlässt, berührt man etwas, was alle Menschen irgendwie kennen. Je gefühlvoller und inniger ich das Bild einer Großmutter beschreibe, desto universeller wird es. Wenn man sich selbst versteht, wird man von allen anderen verstanden. Ich muss generell wissen, was habe ich zu sagen und wie meine ich, dass ich die Filmkunst nutzen kann dafür.“
Sie haben dem Publikum auch heute noch einiges zu sagen. Im Oktober 2013 kommt der vierte Teil der „Heimat“-Tetralogie heraus.
Reitz: „Das ist auch wieder ein historischer Film, diesmal rein für das Kino. Das Erzählen bei "Heimat" ist eben einfach nie zu Ende. Man kann das nicht beenden. Man kann das niemals beenden. Man kann nur eine Spur wieder aufnehmen, die irgendwo weitergeht. Das Leben selbst bietet ja den Filmstoff. Man muss nicht in exotische Gebiete wie Kriminalität, Drogenhandel oder sexuelle Abartigkeiten ausweichen. Wenn ich zum Beispiel eine Liebesgeschichte erzähle, kann ich nie aufhören, wo Zwei sich gefunden haben. Bei mir gehen die Geschichten immer weiter. Liebesgeschichten haben Fortsetzungen, ein Davor und Danach.“