Gemeinschaft statt Familie - Was ist den Deutschen wichtig?
Berlin (dpa) - Welche Werte den Deutschen besonders am Herzen liegen, erhebt regelmäßig der sogenannte Werte-Index. Basis sind Beiträge von Millionen Internetnutzern in deutsprachigen sozialen Medien.
Ein Ergebnis: Die Familie verliert an Bedeutung.
Was sind die wichtigsten Werte der Deutschen?
Auf den ersten drei Plätzen rangieren Gesundheit, Freiheit und Erfolg. Das war zwar schon in der Untersuchung vor zwei Jahren der Fall. Geändert hat sich trotzdem etwas: Gesundheit bedeutet inzwischen nicht mehr nur die Abwesenheit von Krankheit, wie Trendforscher Peter Wippermann erklärt. „Es geht darum, einen gesunden Lebensstil zu haben. Es geht um Selbstoptimierung.“ Das Thema Erfolg bedeutet der Erhebung zufolge mehr, als Karriere zu machen: „Erfolg misst sich an der Lebensqualität.“
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die jüngst veröffentlichte Shell Jugendstudie: Ein sicherer Job ist demnach zwar fast allen 12- bis 25-Jährigen wichtig oder sehr wichtig. Karriere um jeden Preis ist aber nicht angesagt: Weniger als die Hälfte hält Überstunden für nötig, um „etwas zu werden“.
Und was ist mit der Freiheit?
„Es geht um die eigene Freiheit, es geht um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“, erklärt Wippermann. Inzwischen werde der Begriff wieder politischer diskutiert, und auch die Bedrohung durch Terroranschläge spiele eine Rolle. Unter anderem beschäftigen sich Internetnutzer etwa mit Blick auf die Anschläge auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ mit der Frage, inwiefern die Werte des Islam mit denen der westlichen Welt vereinbar sind.
Gibt es Werte, die den Deutschen wichtiger geworden sind?
Das Thema Natur kletterte in dem Ranking zum Beispiel auf Position vier. „Die Themen Umwelt und Klimaschutz haben deutlich zugenommen“, sagt Wippermann. „Man sieht zum Beispiel in den Großstädten, dass Aktivitäten wie Urban Farming oder Urban Gardening anerkannt und verbreitet sind.“ Allerdings rutschte das Thema Nachhaltigkeit auf Platz zehn. Die Forscher erklären das auch damit, dass einige Aspekte bereits vom Begriff Natur abgedeckt würden. Dass auch die zerstörerische Seite der Natur die Bundesbürger umtreibt, zeigt eine Erhebung der Versicherung R+V: Dort rangiert die Angst vor Naturkatastrophen auf Platz zwei der größten Sorgen.
Auch die Bedeutung von Sicherheit stieg im Werte-Index deutlich - das könnte den Forschern zufolge unter anderem eine Reaktion auf die Angst vor Terroranschlägen sein.
Und was verliert an Bedeutung?
Die Familie. Sie liegt im Index inzwischen hinter der Gemeinschaft. „Die gefühlte Familie steht im Mittelpunkt und nicht die institutionalisierte“, erklärt Wippermann. Demnach wandelt sich die Gesellschaft eher hin zu „gleichgesinnten Gemeinschaften“, die sich oft auch über das Internet finden.
Zumindest für junge Leute hat die Familie aber noch einen hohen Stellenwert, wie die Shell Jugendstudie kürzlich ergab. Mehr als 90 Prozent der Befragten haben demnach ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Allerdings verliert eigener Nachwuchs an Bedeutung: Nach einem Anstieg auf 69 Prozent im Jahr 2010 liegt der Anteil der Befragten mit Kinderwunsch nur bei 64 Prozent.