Dreharbeiten in Prag Heinrich Breloer verfilmt Brechts Leben
Prag (dpa) - Kaum ein Theater kommt ohne seine Stücke aus: Bertolt Brecht zählt mehr als 60 Jahre nach seinem Tod zu den meistgespielten Dramatikern an den deutschsprachigen Bühnen - gleich nach Shakespeare und Schiller.
Doch wer war der Mensch hinter der Theaterikone, dem Erfinder des epischen Theaters?
Der Regisseur Heinrich Breloer wagt in einem zweiteiligen Dokudrama den Blick hinter die Kulissen, auf das Alltagsleben Brechts.
Keine einfache Aufgabe für den 75-Jährigen: Brecht habe sein persönliches Leben geheim gehalten, vielleicht auch um es „vor sich selbst teilweise geheim zu halten“, sagt Breloer in den Prager Barrandov-Studios, wo die Dreharbeiten in die Schlussphase gehen.
Die Schauspieler befinden sich gerade im New York des Jahres 1944. Brecht (1898-1956), dessen Stücke die Nazis verboten haben, ist im Exil. Er führt eine Doppelbeziehung mit seiner Ehefrau und häufigen Hauptdarstellerin Helene Weigel und der Schauspielerin Ruth Berlau. Da eröffnet ihm Berlau, dass sie ein Kind von ihm erwartet. „Ruth, sei doch vernünftig“, ruft Brecht ihr zu. „Ich kann nicht dein Gespenst sein, die Hure von einem Klassiker“, hält sie ihm vor.
Im Hintergrund ist die New Yorker Skyline zu sehen - eine bis zur Studiodecke reichende Illusion, ein Scherenschnitt aus Holz. In dem kleinen nachgebauten Apartment der Ruth Berlau ist die Anspannung mit Händen zu greifen, Regisseur und Schauspieler ringen um die beste Darstellung der Schlüsselszene. „Es muss doch deutlich sein, dass ich ihn liebe und er mich liebt in der Szene“, erklärt Trine Dyrholm, die Darstellerin der Dänin. Der reale Ausgang war tragisch: Der gemeinsame Sohn Michel lebte nur einen Tag.
Draußen vor dem Studio steht ein BMW-Oldtimer in glänzendem Silber. Denn der überzeugte Kommunist Brecht liebte nicht nur schöne Frauen und teure Zigarren, er war auch ein Autonarr. „Für Brecht schloss sich das überhaupt nicht aus: Warum soll man den Genuss am Leben der Revolution opfern?“, fragt Burghart Klaußner, der den älteren Brecht spielt. Mit Kostüm und in Maske ist die Ähnlichkeit erstaunlich.
Klaußner räumt eine gewisse „Schwellenangst“ ein, diese Ikone des Theaters zu verkörpern: Die Vorstellung von dem, was Brecht gewollt und geschrieben hat, sei so übermächtig, dass der eigentliche Charakter lange in den Hintergrund getreten sei: „nämlich dieser mit der schiefen Nase und dem großen Geschlechtstrieb und dem großen aufklärerischen Kopf und dem großen Herzen“.
Klaußner spielt Brecht mit einer eigenartigen Fistelstimme, wie sie auf Tonbandaufnahmen aus der Zeit verbürgt ist. Auch Brechts Frau Helene Weigel, eine gebürtige Wienerin, hatte eine sehr eigene Sprache, wie Darstellerin Adele Neuhauser sagt, bekannt als Wiener „Tatort“-Kommissarin. In einer Szene spielt sie die Weigel, wie diese wiederum auf der Bühne die Mutter Courage mimt. „Das war auch für mich ein absolut magischer Moment“, sagt die 58-Jährige. „Ich hatte wirklich das Gefühl, als wäre ihr Geist da, als wäre ich nicht allein gewesen in diesem Augenblick.“
Auf Frauen dürfte Brecht durch seine künstlerische Präsenz und seine Gedichte eine große Faszination ausgeübt haben, glaubt Neuhauser. „Bis die Frauen dann gemerkt haben, dass sie leider nicht die Einzigen sind“, sagt sie. Sie sitzt in einem Oldtimer, über ihrem Kopf ein Plakat „Für Frieden und Sozialismus“. Sind denn Brechts kommunistische Ansichten heute noch aktuell?
Frieden sei immer aktuell, der Sozialismus aber in seiner Entwicklung eine gespaltene Geschichte, meint Neuhauser. „Es gab doch gerade den G20-Gipfel, da waren doch viele Menschen da, die sich zumindest für eine sozialere Welt ausgesprochen haben“, sagt Shootingstar Tom Schilling (35), der den jungen Brecht spielt.
Wenige Schritte weiter bauen Handwerker in einem großen Studio die Dachmansarde des Brechtschen Elternhauses in Augsburg nach. Bis auf den Millimeter ist alles ausgemessen und exakt nachempfunden. Aus dem Fundus von Theatern in ganz Mitteleuropa wurden historisch stimmige Kostüme und Gegenstände herbeigeschafft. Die Kosten für das ambitionierte Projekt unter Federführung von WDR und Bavaria mit Sendetermin im Herbst 2018 liegen bei mehreren Millionen Euro.
Der Regisseur Breloer traf über viele Jahre zahlreiche Zeitzeugen, die Brecht noch gekannt hatten. Der neue Zweiteiler ist in gewisser Weise das Gegenstück zu seinem früheren Doku-Drama „Die Manns“, das mit dem US-Fernsehpreis Emmy ausgezeichnet wurde. „Thomas Mann hat eher nach innen gekehrt gelebt und Brecht sehr nach außen“, sagt der Filmemacher. Denn Brecht habe immer Leute um sich haben wollen. Breloer ist überzeugt: „Es gibt viele Dinge, die mussten sein bei ihm. Er hätte nicht anders leben können.“