Bilanz einer Saison Höhen und Tiefen im Fernsehen

Berlin (dpa) - Im Fernsehen herrscht Sommerpause, eine Wiederholung jagt die nächste. Die neue TV-Saison beginnt im Spätsommer, wenn die werbetreibende Wirtschaft mehr Geld in die Hand nimmt, um Spots zu schalten.

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Das gibt Gelegenheit, um zu bilanzieren, was im abgelaufenen Fernsehjahr zwischen September 2016 und Juni 2017 erfolgreich lief und welche Sendungen beim Publikum durchfielen. Eine nicht repräsentative Übersicht der Unterhaltung und Fiction-Stoffe - Nachrichten und Sport sind bei der Betrachtung nicht berücksichtigt.

FILM:

Überraschungserfolge stehen gegen viel Graubrot ohne besondere Nachhaltigkeit. Zu den Coups des Jahres gehören die ARD-Filme über Reformator Martin Luthers Frau „Katharina Luther“ am 22. Februar mit 7,28 Millionen Zuschauern oder der Justizfilm „Terror - Ihr Urteil“ von Ferdinand von Schirach am 17. Oktober mit 6,88 Millionen. Auch dass ZDF punktete mit dem historischen Hotel-Zweiteiler „Das Sacher. In bester Gesellschaft“ im Januar mit gut sechs und gut sieben Millionen Zuschauern und mit Krimidramas wie „Kommissaar Clüver“ mit 7,33 Millionen oder „Die Toten vom Bodensee“ mit acht Millionen.

Etliche eigenproduzierte Filme blieben aber im Niemandsland hängen und kamen auf etwa drei Millionen Gewohnheitszuschauer, vor allem im Ersten am Mittwochabend. Auch der zweite Ferdinand-von-Schirach-Film, „Der weiße Äthiopier“ mit Jürgen Vogel, reiht sich in die Reihe von Produktionen ohne großen Nachhall ein - rund 3,7 Millionen Zuschauer schalteten kurz vor Weihnachten ein. Und wenn das ZDF montags mal keine Krimistoffe zeigt, sacken die Einschaltquoten auch gleich ab. Mäßig lief auch angesichts des Riesenwirbels die „Winnetou“-Reihe an Weihnachten bei RTL. Sie startete mit rund 5,1 Millionen Zuschauern und endete bei noch knapp 3,5 Millionen. Ein Reinfall waren die „Neandertaler“ auf RTL II. Die letzten beiden Folgen im September verfolgten nur 580 000 und 500 000 Zuschauer.

SERIEN:

Der Knüller des Jahres war eindeutig die „Charité“: Mit 8,32 Millionen Zuschauern beim ersten von sechs Teilen am 21. März stellte die ARD alle anderen Serien-Neuproduktionen in den Schatten. Auch die anderen Folgen bewegten sich über dem Niveau von sechs Millionen - eine eindeutige Antwort auf Netflix und Co., dass auch etablierte Medien Fictionstoffe seriell erzählen können - die Produktion einer zweiten Staffel über die prominente Berliner Klinik kündigte das Erste schon einen Tag nach Ausstrahlung der ersten Folge an.

Die Schattenseite: Fast alle anderen neuen Serien, ob eigenproduziert oder eingekauft, funktionierten mehr recht als schlecht. Dazu gehörte im Ersten auch die Versicherungs-Story „Frau Temme sucht das Glück“. Aus dem Privat-TV lassen sich diverse Lizenz-Titel aufreihen, die nicht in ihr Publikum fanden, zum Teil wohl auch, weil sie schon bei Bezahlmedien zu finden waren: „Chicago PD“, „Chicago Med“, „Chicago Fire“ (Vox), „Containment“, „Empire“, „Limitless“ (ProSieben), „Crime Scene Riviera“ und „Elementary“ (Sat.1) sind nur einige Beispiele.

Und wie steht es mit den Streamingdiensten? Schwer zu beurteilen, denn die drei Hauptanbieter, Netflix, Amazon und Maxdome, veröffentlichen keine Nutzerzahlen. Fest aber steht, dass Matthias Schweighöfer mit der Thrillerserie „You are Wanted“ auf Amazon eine zweite Runde drehen darf, gleiches gilt auch für das Komikerduo Christian Ulmen und Fahri Yardim mit „Jerks“ auf Maxdome.

SHOWS:

Am 16. Juni mussten sich viele TV-Experten morgens die Augen reiben, als die Quoten vom Vortag auf dem Tisch lagen: Horst Lichter hatte mit seiner abendfüllenden ZDF-Show „Bares für Rares“ 6,38 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme geholt. Eine gigantische Zahl angesichts der Misere der deutschen Show und ihrer Ideenlieferanten. Ein Erfolg war auch das RTL-II-Kuppelformat „Naked Attraction“, das gerade noch als Showreihe durchgehen könnte. Dass das RTL-Dschungelcamp „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ und die Vox-Reihe „Höhle der Löwen“ funktionieren, ist mittlerweile klar.

Die Liste der Tiefpunkte ist lang: Thomas Gottschalk (Sat.1: „Little Big Stars“, RTL: „Mensch Gottschalk“) kommt auf keinen grünen Zweig mehr, Michelle Hunziker („It's Showtime“ auf Sat.1) kam auch nicht zurecht, Steven Gätjen („Vier geben alles“) hatte im ZDF nur schwache 2,64 Millionen Zuschauer, Daniel Hartwich hat bei RTL neben dem soliden „Let's Dance“ und dem Dschungelcamp auch immer wieder Rückschläge wie „It takes 2“ und „Meet the Parents“. Prominente wie Eckart von Hirschhausen mit seinem „Quiz des Menschen“ und Johannes B. Kerner mit dem „Quiz-Champion“, Dirk Steffens („Mich täuscht keiner“) oder das Gespann Frank Elstner/Ranga Yogeshwar mit der „großen Show der Naturwunder“ hatten es schwerer als je zuvor.

„TATORT“:

Der ARD-Krimi-Klassiker ist ein eigenes Genre, im Jahr seiner 1000. Folge mit viel Licht, aber auch mit einigen Schatten. Die Glanzpunkte des „Tatort“-Jahres setzten die Münsteraner Ermittler, Axel Prahl (Kriminalhauptkommissar Thiel) und Jan Josef Liefers (Professor Boerne), die mit ihren beiden Krimis „Feierstunde“ 13,31 Millionen Zuschauer (am 25. September) und „Fangschuss“ sagenhafte 14,56 Millionen Zuschauer (am 2. April) einfingen. Die Mischung aus Thrill und Humor macht es, sie bleibt unerreichbar.

Die Kehrseite: Die Zehn-Millionen-Zuschauer-Marke fiel längst nicht mehr so oft wie in den Vorjahren. Im Gegenteil. Der umstrittene Mundart-Krimi „Babbeldasch“ aus Ludwigshafen rutschte im Februar auf 6,35 Millionen Zuschauer, auf Sibel Kekillis letzten Kieler Einsatz mit „Borowski und das Fest“ entfielen am 18. Juni ganz bedenkliche 6,11 Millionen. Auch der „Polizeiruf 110“-Krimi „Einer für alle, alle für Rostock“ musste sich im Mai mit 6,58 Millionen Fans bescheiden.

DOKUMENTATION:

Selten wurde über eine Doku im TV so viel diskutiert wie über den Arte-Film „Auserwählt und ausgegrenzt - Der Hass auf Juden in Europa“. Das Kuriose dabei: Der öffentliche Diskurs über die Dokumentation fand statt, obwohl kaum einer den Beitrag gesehen hatte. Arte hatte sich unter anderem deswegen die Ausstrahlung entschieden, weil sich die beiden Autoren zu wenig an die Vorgabe, über Antisemitismus in Europa zu filmen, gehalten hätten. Als erstes zeigte „Bild.de“ den Film für 24 Stunden und machte ihn so öffentlich. Dann entschied sich das Erste, ihn zu später Stunde um 22.15 Uhr ins Programm zu nehmen. Etwas enttäuschend: Trotz des Aufhebens im Vorfeld schalteten nur 1,19 Millionen Menschen ein.