Je motziger, desto lieber: Puppenspieler erobern TV

Berlin (dpa) - Ein motziger alter Sack, eine grantige Echse oder ein Maulwurf mit Sprachfehler: Puppen samt ihren Spielern erobern die Comedy-Landschaft auf der Bühne und im Fernsehen.

Foto: dpa

Der Humor ist dabei mitunter recht deftig, doch die Zuschauer mögen gerade das. Da müssen die Künstler gar nicht beteuern, dass die Gemeinheiten bloß Teil der Rolle sein und so rein gar nichts mit der eigenen bösen Seite zu tun hätten. Millionen kennen den blond gesträhnten Bauchredner Sascha Grammel, der mit Schildkröte Josie auf RTL auftrat. Oder Martin Reinl, dessen „Wiwaldi-Show“ im WDR Fernsehen Furore machte.

Foto: dpa

Der alte Sack vom „Puppenflüsterer“ Benjamin Tomkins - ein Kaffee-Sack, auf dem ein ovaler Kopf mit einem schiefem Zahn im Mund, einem angematschten Auge und zotteligem Haar sitzt - erklärt den Sinn des Lebens. Der Ton ist motzig und rau, und der alte Sack verschont seinen Puppenspieler Tomkins nicht mit kleineren und größeren Gemeinheiten. Die Zuschauer lachen. Trotzdem - oder gerade deshalb. „Das Publikum mag es gerne, wenn die Puppe abdreht und über die Stränge schlägt“, sagt Tomkins. Er gewann gerade den diesjährigen Prix Pantheon, einen der wichtigsten Kleinkunstpreise Deutschlands. Sein Auftritt im Wettbewerb hatte das WDR-Publikum begeistert.

Foto: dpa

Allzu lange steht Tomkins noch nicht auf der Bühne: Erst vor drei Jahren entdeckte er, dass er Bauchreden kann - zufällig, auf einer Familienfeier. Damals trat im Fernsehen ein Bauchredner auf und alle probierten reihum, ob sie das auch können. Bei Tomkins klappte es auf Anhieb. Er ersteigerte „Herrn Hansen“, seine erste Puppe, im Internet und machte erste Auftritte. Inzwischen hat er mehrere Preise abgeräumt und spielt acht Puppen, die eine Puppenbauerin aus Leipzig für ihn anfertigt.

Seine Puppen könnten auch das Publikum ärgern, das werde nicht so hart gesehen. „Der Puppe nimmt man das weniger übel als mir.“ Den Mythos, dass ein Puppenspieler durch die Figur seine böse Seite rauslässt, hält Tomkins aber für „Quatsch“. Das Schöne am Puppenspiel sei vielmehr, dass man quasi mehrere Personen auf der Bühne habe. „Du kannst einen Dialog führen, den du kontrollierst.“

Der Maulwurf mit dem Sprachfehler von René Marik weilt gerade in einer Kiste. „Ich habe ziemlich viel Zeit mit dem verbracht“, sagt Marik. „Irgendwann war es zu viel und zu doll.“ Kein Wunder, schließlich gibt es mit dem Maulwurf sogar einen Kinofilm „Geld 'her oder Autsch'n“. Hinter seiner Puppe habe er sich nie „versteckt“, sagt Marik, auch wenn er auf der Bühne als Puppenspieler gar nicht zu sehen ist. Aber Marik, der auch bei RTL eine Show präsentierte, glaubt: Die Figur kann sich mehr erlauben, als er selbst, ihr werde leichter verziehen. Er spiele eine Rolle und der sei ja kein Zuschauer böse. Ob mit oder ohne Puppe: „Das ist das, was jeden Abend im Theater passiert.“

Auf der Bühne hat Michael Hatzius seine Echse auf dem Schoß. Ihr faltiger Hals ragt aus einem braunen Mantel. Die Echse raucht gerne mal eine Zigarre, blickt aus Augen mit leicht hängenden Liedern um sich und nimmt so gar kein Blatt vor den Mund. Dem Publikum gefällt die Grantelei - Hatzius hatte mit seiner Echse sogar eine eigene Sendung im Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb). „Man kann einem Schaumstoffberg nicht sauer sein“, glaubt Hatzius. Er als Puppenspieler nutze das aber nicht aus, vielmehr spiele er - wie jeder Schauspieler - eine Rolle.

Rolle hin oder her: Benjamin Tomkins spielt mit seinen Puppen am liebsten Alltagssituationen. Zum Beispiel, wenn die Puppe den Spieler auf einen Pickel hinweist. „Plötzlich vergisst jeder, dass es eine Puppe ist.“