Kinderarbeit auf Mexikos Feldern: „Sklavenartige Zustände“
Coahuayana (dpa) - Zur Schule ging Rumualdo Chamú Cipriano nur bis zur dritten Klasse. Dann brach der mexikanische Junge mit dem unnachgiebigen Blick ab, um auf die Felder zu ziehen. „Ich bin 13 Jahre alt und denke, dass ich alt genug zum Arbeiten bin“, sagt Chamú, der seinen Vornamen nicht leiden kann.
Mit den Eltern und seinen drei jüngeren Schwestern sammelt er zwölf Stunden am Tag Chili-Früchte im Bundesstaat Michoacán an Mexikos Pazifik-Küste.
„Darin sind wir gut“, sagt Chamú. Die Ernte der scharfen roten Paprika dauert von Dezember bis Mai - solange kann seine Familie mit einem Einkommen rechnen. Danach wird sie auf der Suche nach einer neuen Arbeit weiterziehen.
Rund vier Millionen Wanderarbeiter sind in Mexikos Landwirtschaft tätig, schätzt die Bürgervereinigung „Fuerza Migrante“. Davon seien etwa 1,5 Millionen Jugendliche und Kinder, sagt der Vorsitzende Pedro Fernández Carapia in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Obwohl Minderjährige nicht auf den Feldern arbeiten dürfen, ist die Beschäftigung ganzer Familie in Mexiko weit verbreitet. Sie könnten oft weder lesen noch schreiben und seien extrem arm.
Die Arbeit auf dem Feld ist oft die einzige Möglichkeit, wenigstens etwas Geld zu verdienen. Nach Angaben von „Fuerza Migrante“ verdienen Wanderarbeiter umgerechnet etwa drei bis sieben Euro am Tag. Vor allem in Michoacán, dem Bundesstaat mit Mexikos größter landwirtschaftlicher Produktion, ziehen Wanderarbeiter fast das ganze Jahr über von einer Ernte zur nächsten.
Auch hier sind viele von ihnen Jugendliche - obwohl die Strafen für Kinderarbeit verschärft wurden, wie Fernández sagt. Die Gesetze seien noch immer zu lasch, kritisiert er. Der Staat toleriere die Ausbeutung der Kinder und ihrer Eltern durch mexikanische und internationale Unternehmen. Diese würden die Notlage der Menschen ausnutzen. Die Arbeitsbedingungen erinnerten an „Sklaverei“, klagt Fernández. Kinder arbeiten demnach oft mit hochgefährlichen Chemikalien in der prallen Sonne. Viele sind unterernährt, dehydriert und von Insekten zerstochen. Zur Schule gehen sie nicht.
Mexikanische Behörden wollen die Situation der Wanderarbeiter verbessern, im vergangenen Jahr flossen umgerechnet 15 Millionen Euro Staatsgelder in ein dafür vorgesehenes Regierungsprogramm. In etwa 20 speziellen Heimen werden Wanderarbeiter in Michoacán mit Essen versorgt und verarztet. Unterricht stehe auch auf dem Programm, heißt es.
Doch die Realität sieht meist anders aus, wie der Vorsitzende von „Fuerza Migrante“ bei diversen Heimbesuchen feststellte. Die Unterkünfte seien meist überbelegt, unhygienisch und unsicher. Ein weiteres Problem sei der Alkohol. Er habe sogar Kinder Bier trinken sehen, die so ihre Erschöpfung lindern wollten, sagt Fernández.
Von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends sammelt Chamú mit seiner Familie in Michoacán die scharfen roten Chilis. Die Schule habe er aus eigenen Stücken abgebrochen, sagt die Mutter des Jungen. „Er wollte nicht mehr lernen, es würde ihm nichts bringen“, habe er ihr gesagt. Von da an brachte Chamú stets einige Centavos nach Hause. Nun will er sein erarbeitetes Geld sparen: Der junge Wanderarbeiter träumt davon, in die USA auszuwandern.