Sprache Promis neuer Art: „Influencer“ ist Anglizismus des Jahres
Berlin (dpa) - In Unterwäsche, beim Posen am Meer, oder nur das Gesicht mit großen Augen und Schmollmund: Solche Bilder von sich veröffentlichen Influencer regelmäßig. Oder der Klassiker: Sie geben Schminktipps bei YouTube.
Junge Frauen wie Stefanie Giesiniger, Caro Daur oder Bianca Heinicke („Bibi“) erreichen mit ihren Beiträgen Millionen Menschen und gestalten deren Meinung mit. Standen für die Szene vor ein paar Jahren noch Begriffe wie „Blogger“ oder „YouTube-Star“ im Fokus, so hat sich inzwischen die Bezeichnung „Influencer“ verbreitet (von „influence“ - Einfluss). Der Begriff ist nun von einer Jury um den Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch zum Anglizismus des Jahres 2017 gekürt worden.
Vor allem 2017 sei der Gebrauch des Wortes im Deutschen sprunghaft angestiegen, begründet Stefanowitsch von der FU Berlin die Auswahl am Dienstag. Der Grund: Influencer wurden als „neue popkulturelle Figuren“ und „neue Kategorie der Prominenz“ zum Gesprächsstoff, wie er sagt. „Es ist ein kulturelles Phänomen, das ein Wort braucht.“ Zu Alternativen wie „Vorbild“, „Meinungsmacher“ oder „Trendsetter“ sei das Wort eine Ergänzung - und damit eine Bereicherung des Deutschen. Im Englischen sei „influencer“ seit dem späten 17. Jahrhundert als Bezeichnung etwa für Staats- und Kirchenoberhäupter belegt.
Warum wurden Influencer hierzulande 2017 ein so großes Thema? Wohl vor allem, weil Werbung mit den Menschen, die ihre Fans auf Facebook, YouTube und anderen Plattform an ihrem Alltag teilhaben lassen, ein Milliardengeschäft geworden ist. Manchmal bringen Influencer eine gewisse Bekanntheit aus dem Fernsehen oder der Unterhaltungsbranche mit, wie im Fall von Sängerin Lena Meyer-Landrut und Elena Carrière aus „Germany's Next Topmodel“. Aber das muss nicht sein. „Viele sind einfach nur junge Leute“, sagt Stefanowitsch. Ihre Autorität komme aus sich selbst heraus, dank der Reichweite. Das Konzept sei vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen.
Die Reichweite, teils deutlich größer als die so manchen klassischen Mediums, ist die entscheidende Währung, wenn es für Influencer um Geld geht. Bei hohen Werten muss nicht immer alles mit rechten Dingen zugehen, das ist inzwischen bekannt. Aber noch ist es so: Wer besonders viele Fans hat, bekommt zum Beispiel sogar noch eine Gage dafür, ein Foto von sich mit Gratis-Turnschuhen zu zeigen. Mit einem Link zum Online-Shop kann man am Verkaufserlös beteiligt werden.
Dass Firmen und Werbeagenturen zunehmend auf diese Methode setzen, weil sie sich davon viel Aufmerksamkeit versprechen, hat aber auch Diskussionen ausgelöst. Böse Zungen bezeichnen Influencer als wandelnde Werbetafeln, werfen ihnen Schleichwerbung und Manipulation vor. Die meist jungen Fans schwärmen weiter - typische Kommentare auf Instagram: „Soooo cute“ oder „Woher ist der Pulli?“.
Influencer, die dank Kooperationen mit Firmen ihren Lebensunterhalt verdienen, bewegen sich auf einem schmalen Grat. „Man muss den Leuten etwas bieten“, sagte ein Influencer einmal der dpa. Ein Privatleben habe er nicht. Und: „Meine Oma denkt, ich bin nur einen Katzensprung von der Prostitution entfernt.“ Online geben sich die Internet-Stars nahbar, wie ein guter Freund - sie punkten mit ihrer Glaubwürdigkeit.
Wenn Produkt und Influencer nicht zusammenpassen, können Kampagnen schiefgehen. Zuletzt ernteten bekannte Firmen Häme und Spott, weil Nutzer die Produktplatzierungen als plump empfanden. Es geht um Fotos, auf denen Influencer etwa mit Waschmittelflaschen oder Schokoladentafeln in konstruierten Situationen in Szene gesetzt werden. Über eine Facebook-Seite mit einer Sammlung solcher „Perlen“ amüsieren sich Tausende. Auch eine britische Influencerin, die kürzlich von einem Hotelier öffentlich entlarvt wurde, dürfte jetzt ein Glaubwürdigkeitsproblem haben. Sie hatte nach Gratis-Urlaub gefragt und angeboten, das Hotel im Gegenzug in Beiträgen zu nennen.