Raabs Ralf-Siegel-Komplex: „Le Grand Prix, c'est moi“
Köln (dpa) - Irgendwie ist das „total grotte“, würde Lena sagen. Stefan Raab ist nun mit zwei Titeln im Finale von „Unser Song für Deutschland“. Gleichzeitig hofft er immer noch darauf, den Eurovision Song Contest am 14. Mai in Düsseldorf auch moderieren zu können.
Bis es soweit ist, fungiert er außerdem als Präsident der Jury, die Lenas Lieder bewertet. Fast könnte man meinen, dass er langsam am absolutistischen Ralph-Siegel-Komplex leidet: „Le Grand Prix, c'est moi“ - Der Grand Prix, das bin ich.
Dieser Eindruck verfestigte sich am Montagabend noch dadurch, dass die ersten fünf Nummern alle ziemlich ruhig oder balladenartig daherkamen und erst die sechste so halbwegs den nötigen Eurovision-Schmiss hatte. Dies war jedenfalls das einzige Lied, für das sich das Studiopublikum so richtig begeistern konnte. Und von wem war's? Natürlich wieder von Raab. Jetzt sieht es ganz danach aus, dass nächste Woche Freitag (18. Februar) tatsächlich keine Produktion aus Los Angeles oder London gekürt wird, sondern wieder mal eine aus dem Raab-Reich Köln-Sülz.
Immerhin gab es diesmal eine Oppositionelle gegen den Sonnenkönig: Anke Engelke. In der ersten Sendung hatten sich die Urteile der Juroren auf einer Skala zwischen „toll“ und „toller“ bewegt, diesmal ging es teilweise richtig zur Sache, vor allem nach dem zweiten Song „Teenage Girls“. Engelkes Kommentar: „Ich fand den Text so beknackt. Boah, fand ich den blöd!“
Raab, der alle Lieder mit ausgesucht hat, revanchierte sich mit dem Hinweis: „Das kann ich natürlich verstehen, dass Anke sich nicht mehr so gut in Teenage-Songs reinversetzen kann.“ Das schien die 45-Jährige so witzig nicht zu finden, und Raab bemerkte das auch, stand prompt auf und umarmte sie. Doch während er das tat, hielt Engelke hinter seinem Rücken den erhobenen Mittelfinger in die Kamera.
Wer gut zuhörte, konnte manchen Merksatz auffangen, zum Beispiel: „Beim Hören muss es stimmen“ (Lena). „Die Hook ist besser als die Bridge“ (Gastjurorin Joy Denalane). Oder auch: „Ich bin der Meinung, dass es so Scheiße auch nicht war“ (Raab).
Dazwischen war es mal mehr, mal weniger langweilig. Es gab vor allem sehr viel Werbung, so für ein Auto mit „Lena-Lenkrad“ (oder war das eine Freudsche Fehlleistung mit „Leder-Lenkrad“?). So war es keine Überraschung, dass die Einschaltquote auf maue 1,82 Millionen Zuschauer fiel (5,5 Prozent Marktanteil).
Nun ist Raabs Fernsehvolk aufgerufen, Lenas Beitrag für den Eurovision Song Contest unter folgenden sechs Liedern zu ermitteln: „Maybe“ (luftiger Mainstream), „Taken By A Stranger“ (Elektropop-Nummer, Favorit der ersten Sendung), „What Happened To Me“ (Raab-Lied Nummer 1), „A Million And One“ (was Ruhiges, da braucht man Zeit, um reinzukommen), „Push Forward“ (Piano-Ballade, Raab: „Ein Frauenlied“), Mama Told Me“ (Raab-Lied Nummer 2). Fortsetzung folgt am 18. Februar.