Schächter verlässt Brücke des ZDF-Dampfers
Mainz (dpa) - Zehn Jahre hat ZDF-Intendant Markus Schächter die Geschicke des Senders gelenkt. Nun verlässt er die Brücke des Unterhaltungs- und Nachrichtendampfers. Nicht weil er muss, sondern weil er will.
Er bezeichnet es als „Königsdisziplin“, wenn an der Spitze eines großen Unternehmens der Übergang auf den Nachfolger so reibungslos laufe wie bei ihm und Noch-Programmdirektor Thomas Bellut. „Der Staffelwechsel hat wunderbar funktioniert“, betont Schächter (62) an einem seiner letzten Arbeitstage im 14. Stock des ZDF-Hochhauses. Am Donnerstag (15. März) beginnt die Amtszeit von Bellut (57).
Schächter ist nach Angaben des ZDF dienstältester Intendant in Deutschland. Schon lange ist der etwas holprige Start 2002 vergessen, bei dem der als liberal-konservativ geltende Kandidat nur mit knapper Mehrheit ins Amt kam. In seine Zeit fallen unter anderem der Aufbau der ZDF-Online-Welt sowie der Start der drei neuen digitalen Spartenkanäle ZDFneo, ZDFinfo und ZDFkultur. Der 62-Jährige blickt zufrieden zurück: „Wir sind in einem Zehn-Jahreshoch in der Prime Time, der wichtigsten Zeit, die es im Fernsehen gibt“, sagt er im dpa-Interview.
Vor zehn Jahren habe das ZDF zwischen 19.00 und 23.00 Uhr eine Quote von 15,6 Prozent erreicht, in diesem Jahr seien es bis Anfang März mit der ZDF-Familie 17,2 Prozent gewesen, betont Schächter. Unter anderem mit dem Erfolg des „heute-journals“, der Doku-Reihe „Terra X“ und dem „Fernsehfilm der Woche“ stehe das ZDF bei den Kernkompetenzen der öffentlich-rechtlichen Sender gut da.
Besonders stolz sei er auf die Kindernachrichten „logo“, die er vor mehr als 20 Jahren auf den Weg brachte, sagt Schächter. Es gebe immer wieder Anfragen ausländischer Sender, die ähnliche Sendungen planten. Bei den Zuschauern leider nicht so gut angekommen sei „Das Kanzleramt“ 2005, bedauerte der scheidende Intendant. Die Serie mit Klaus J. Behrendt als Bundeskanzler in der Hauptrolle erreichte nur schwache Quoten und wurde nach 13 Episoden eingestellt.
Auf Nachfolger Bellut warten einige Baustellen. Unter anderem muss der Sender weiter um jüngeres Publikum werben und sich im Kampf um Zuschaueraufmerksamkeit gegen das Internet behaupten. Bei dieser „digitalen Phase zwei“ geht es laut Schächter vor allem darum, Internetriesen wie Google mit Inhalten Konkurrenz zu machen. „Wie behält man die Zuschauer, wenn künftig mit modernen Hybridgeräten Fernsehen und Internet auf einen Schirm kommen und über eine Fernbedienung angesteuert werden?“
Bellut wird auch unpopuläre Sparpläne im ZDF umsetzen müssen - bis 2016 sollen 300 Stellen wegfallen. Immerhin konnte er noch vor seinem Amtsantritt die große „W-Frage“ klären: Mit ZDF-Talker Markus Lanz (42) einigte er sich vergangene Woche per Handschlag über die „Wetten, dass..?“-Nachfolge. Auch wenn noch kein unterschriebener Vertrag vorliegt, ist klar: Lanz wird ab Herbst die größte Unterhaltungsshow Europas moderieren - insgesamt acht Mal pro Jahr, erst einmal über drei Jahre soll der Vertrag laufen. Ein guter Einstand ins Intendantenamt, denn immerhin hatte Thomas Gottschalk bereits vor über einem Jahr seinen Rücktritt von der Wettshow verkündet, die Nachfolgersuche gestaltete sich zuweilen zäh.
Für Schächter wird der Ruhestand wohl nicht so ganz ohne Fernsehen sein, auch wenn er nach eigener Aussage „zunächst mal kürzertreten“ will. Er wird das ZDF bei der Arte-Mitgliederversammlung in Straßburg sowie bei der Europäischen Rundfunkunion vertreten. Zudem hat er mehrere Ehrenämter übernommen - unter anderem bei der Stiftung Lesen, der Stiftung Hoher Dom in Mainz, bei der Aktion Mensch und der Sporthilfe. An der Hochschule für Philosophie in München will er sich am Aufbau eines Stiftungslehrstuhls für Medienethik beteiligen und auch selber lehren.
Trotzdem soll auch das Private nicht zu kurz kommen. „Ich werde zurückschalten und entspannt in eine neue Lebensphase gehen“, sagt der 62-Jährige. Es gebe zwar nach wie vor die Perspektive, mal wieder einen eigenen Film zu drehen - allerdings noch keine konkreten Pläne. Schächter will nach eigenem Bekunden sein Plus an Freizeit genießen - und unter anderem seine Tochter in Burundi besuchen, die dort als entwicklungspolitische Beraterin arbeitet. Geplant sind auch eine längere Bergwanderung - „einmal über die Alpen“ - und zusätzliche Joggingrunden. Schon jetzt läuft Schächter regelmäßig durch die Weinberge rund um Mainz. „Es gibt nichts Inspirierenderes. Früher habe ich dabei meine Reden konzipiert.“