Krimi-Debüt Schlöndorff hat noch nie einen kompletten „Tatort“ gesehen

Köln (dpa) - Volker Schlöndorff (78) hat in seinem Leben viele Filme gedreht und mit der „Blechtrommel“ nach Günter Grass sogar den Oscar gewonnen. Nun wagt er sich mit 78 Jahren auf ein Terrain, auf dem er bislang nicht zu Hause war: an einen Fernsehkrimi in der Primetime.

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Am Montag (5. Februar, 20.15 Uhr, ZDF) zeigt das ZDF „Der namenlose Tag“, Schlöndorffs Verfilmung des gleichnamigen Romans von Friedrich Ani (59). Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur verrät Schlöndorff, warum ihn die Vorlage ansprach - und warum er die allgemeine Krimi-Begeisterung der Deutschen dennoch nicht versteht.

Frage: Herr Schlöndorff, Sie arbeiten seit vielen Jahren im Filmgeschäft. Aber erst jetzt haben Sie einen Fernseh-Krimi gemacht - das deutsche Erfolgsformat schlechthin.

Antwort: Ja. Aber ich weiß auch noch nicht so recht, ob das ein Krimi ist. Gerade weil die Geschichte so wenig Kriminalistisches enthält, war es reizvoll. Weil ich mich fragte: Mit wie wenig kann man auskommen und trotzdem Spannung erzeugen? Es ist ja ein sehr ungewöhnlicher Kommissar, der sich - verkürzt gesagt - weniger für die Fälle als für die Menschen interessiert. Es geht nicht darum, wer es gemacht hat. Sondern: Warum?

Frage: In Deutschland denkt man bei Krimi natürlich sofort an den „Tatort“.

Antwort: Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen in Deutschland, der noch nie einen „Tatort“ von Anfang bis Ende gesehen hat. Noch nie. Das fing schon in den 70er Jahren an, als ich viel für den Hessischen Rundfunk gearbeitet habe. Da wollten die immer, dass ich einen „Tatort“ mache. Ich habe dann immer versucht, mir einen anzuschauen und habe es nicht geschafft. Das ist kein Hochmut. Es spricht mich einfach nicht an. Mich interessiert nie, wer es gewesen ist.

Frage: Können Sie sich erklären, warum die Deutschen Krimis im Fernsehen so mögen?

Antwort: Nein. Immer wenn ich das Programmheft durchblätter, verstehe ich es nicht. Was ist in der Psyche von uns Deutschen los, dass wir im Fernsehen im Grunde mehr gewaltsam Tode haben, als es statistisch in der Bundesrepublik in einem Jahr gibt? Das ist doch unwahrscheinlich. Ich verstehe es nicht.

Frage: Sie haben im Zusammenhang mit dem deutschen Fernsehen auch mal das Wort „Publikumsverdummung“ benutzt.

Antwort: Wie man so schön sagt: Das war aus dem Zusammenhang gerissen. Da bezog es sich sicherlich auf einen speziellen Aspekt. Aber die Funktion, dass man das Publikum eher besänftigen und in Harmonie entlassen muss, indem am Ende eines Films alle Fäden aufgedröselt und alle Fragen beantwortet sind - das läuft schon sehr der Wirklichkeit entgegen. In der Wirklichkeit ist nie etwas wirklich aufgelöst und meistens auch nicht in Harmonie. Insofern geben alle diese Filme ein falsches Wirklichkeitsbild. Sie sind vielleicht sehr geeignet zur Entspannung. Aber nicht zur Vorbereitung auf die Härte des Lebens.

Frage: Und Sie mögen keine Entspannung?

Antwort: Naja. Ich werde lieber gefordert als entspannt. Wenn ich entspannen will, dann laufe ich im Wald.

ZUR PERSON: Volker Schlöndorff (78) gilt als Meister der Literaturverfilmung. Für die Kinoversion von Günter Grass' Jahrhundertroman „Die Blechtrommel“ erhielt er 1980 den Auslands-Oscar. Weitere wichtige Arbeiten waren „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, „Die Fälschung“ und „Homo Faber“. Schlöndorff wurde in Wiesbaden geboren und arbeitete lange in Hollywood.