Interview Smartphones auf der Tanzfläche - im Kölner Bootshaus sieht man das eher kritisch

Köln · Smartphones im Club - das Thema bewegt. Im Interview äußert sich das Team des renommierten Kölner Bootshauses über das ständige Posten auf Social Media. Und erklären, wozu ein Club eigentlich eine App nötig hat.

Foto: Bootshaus

Smartphones im Club - das Thema bewegt. Im Oktober haben wir über eine Aktion des Wuppertaler Clubs „Mauke“ berichtet, bei der die Smartphones der Gäste mittels Aufklebern verplombt wurden. Auch im englischsprachigen Raum ist die Handynutzung auf Konzerten oder im Club zum Thema geworden. Laut einer Studie sind 70 Prozent der britischen Clubbesucher gegen Smartphones auf der Tanzfläche, schreibt das Magazin djmag.com.

Als einer der renommiertesten Clubs in Deutschland gilt das Bootshaus in Köln. Im DjMag-Voting der 100 besten Clubs belegte das Bootshaus 2018 den 11 Platz. Dort hat man das Problem erkannt - und will nun offensiver damit umgehen. Eine erste Aktion in den sozialen Medien stieß auf positive Resonanz. Für ein Interview zu dem Thema trafen wir Marketingchef Niclas Aigner und seinen Kollegen, der Creative Director Niklas van Lipizg:

Wie lange hängt ihr persönlich denn täglich am Handy - und ist das zu viel?

Niclas Aigner: Ich denke, es ist relativ viel, aber es beschränkt sich meistens auf die Bahnfahrt hier nach Köln und abends wenn man zum Beispiel vorm Fernseher sitzt. Zudem nutze ich es natürlich beruflich. Im Marketing nicht auszuschließen.

Niklas van Lipizg: Ja, würde ich schon sagen: ich bin täglich zu viel am Handy. Ich muss dazu aber auch sagen, dass wir beide natürlich auch beruflich viel mit Social Media zu tun haben und deshalb selten ohne auskommen. Ich brauche das Smartphone einfach zum Arbeiten.

Wie steht ihr zur Smartphone-Nutzung auf Konzerten und im Club?

Foto: Bootshaus

Niclas Aigner: Wir wollen es natürlich nicht verbieten, aber wir sehen deutlich, dass es mehr wird. Wir haben dazu auch schon in den sozialen Medien Stellung bezogen und unsere Gäste dazu aufgefordert, das Handy im Club selbst in der Tasche zu lassen - und lieber den Moment zu leben und mit uns zu feiern. Auf den darauffolgenden Veranstaltungen konnten wir sehen, dass dies tatsächlich angenommen wurde und viele Gäste unserer Aufforderung nachgekommen sind.

War es nicht mal Teil eurer Strategie, die kostenlose PR durch Instagram- oder Facebook-Posts eurer Gäste zu nutzen (und zu pushen)?

Niclas Aigner: Also wir fordern niemanden dazu auf, unsere Veranstaltungen oder Beiträge zu teilen. Aktionen wie zum Beispiel „Lade 100 Freunde ein und erhalte einen gratis Shot“ oder so etwas in der Art machen wir nicht. Wenn wir tatsächlich mal Reichweite brauchen, arbeiten wir lieber mit (relativ) bekannten YouTubern und Bloggern zusammen, die auch bei uns feiern. Unabhängig davon entsteht natürlich rund ums Bootshaus Content: Sowohl von den Fans, als auch von uns. Darüber sind wir froh!

Wie schätzt ihr in diesem Zusammenhang den sozialen Druck in den Sozialen Medien ein?

Niklas van Lipizg: Ich glaub’, der soziale Druck besonders bei den jüngeren Generationen ist ziemlich hoch. Viele sind sicher der Meinung, unsichtbar zu sein, wenn sie nicht in Social Media aktiv sind. Wenn du keine Insta-Storys machst, wirst du vielleicht nicht wahrgenommen. Sind wir mal ehrlich: Wer hat heutzutage noch die Geburtstage seiner Freunde im Kopf? Alles findet in den sozialen Medien statt. Jemand, der nicht dabei ist, fühlt sich heutzutage vielleicht wie ein Außenseiter. Viele Social-Aktivitäten sind allerdings auch einfach nur ein Langeweile-Killer, wenn man halt nichts Besseres zu tun hat. Im Club wollen wir natürlich nicht, dass unsere Gäste Langeweile haben und deshalb am Handy hängen.

Niclas Aigner: Ich nutze zum Beispiel gar keine sozialen Medien. Durch die vielen Postings, Beiträge und den sozialen Austausch mit unseren Fans ist das genug Social Media für mich. Meine Generation hat allerdings auch den Vorteil, dass sie nicht hundertprozentig mit diesen Medien aufgewachsen ist. Das Problem sehe ich eher bei den Generationen, die jetzt zwischen 13 und 16 Jahre alt sind. Hier steht das Handy, das „Online Ich“, total im Vordergrund, die Kids kommen teils nicht mehr vom Handy los. Ich sehe das sehr kritisch auch im Zusammenhang mit Online-Mobbing.

Ihr habt eine eigene, neue App. Warum braucht ein Club so etwas?

Niclas Aigner: Anlass dafür ist, dass Facebook aktiv unsere Reichweite einschränkt. Wir wollten eine direkte Schnittstelle zu unseren Gästen, durch die wir direkt über unsere Veranstaltungen informieren können, oder wenn sich mal etwas an einer Veranstaltung ändert. Über Facebook erreichst du immer nur einen Bruchteil der Fans. Damit die Leute unsere App nutzen, haben wir ein dem Payback sehr ähnliches System eingeführt, bei dem die User für die Nutzung der App oder durch Ticketkäufe Punkte sammeln, die wiederum bei uns eingelöst werden können.

Niklas van Lipizg: Noch ein simpler Grund ist natürlich, dass jüngere Generationen eher über Apps ins Netz gehen, statt Internetseiten zu besuchen. Das ist einfach zeitgemäßer. Wir zeigen in unserer App auch Partyfotos, damit man diese direkt auf dem Handy hat und nicht kompliziert vom Rechner aus erst mal an sein Smartphone schicken muss. Außerdem haben wir einen eigenen Musikplayer integriert und du kannst deine Tickets direkt dort kaufen und speichern.

Stichwort Partyfotos. Lohnt sich das noch? Interessieren sich die Leute überhaupt noch dafür?

Niclas Aigner: Tatsächlich fragen sowohl Gäste wie auch DJs danach. Dabei geht es uns weniger darum, die Leute zu zeigen, sondern eher, die Atmosphäre des Clubs zu kommunizieren.

Wer ist aktuell der klassische Bootshaus-Gänger? Gehen noch viele Kölner bei euch feiern - oder sind die mittlerweile überwiegend in Ehrenfeld unterwegs?

Niclas Aigner: Der durchschnittliche Bootshausgast ist aktuell 22 Jahre alt. Unser Publikum ist im Schnitt zu 60 Prozent männlich und zu 40 Prozent weiblich. Tatsächlich ein Großteil aus Köln, aber auch aus der Umgebung. Wir erleben immer wieder, dass Leute bis zu 700 Kilometer anreisen, etwa aus Holland und Frankreich oder der Schweiz. Das hängt jedoch immer davon ab, welchen Künstler wir buchen und welche Zielgruppe bedient wird.

Niklas van Lipizg: Ich selbst komme aus einem Ort, der 100 Kilometer von Köln entfernt ist. Auch dort fahren viele Leute jedes Wochenende ins Bootshaus. Ich denke, das liegt daran, dass wir teilweise Künstler im Bootshaus haben, die in der Regel keine Clubshows mehr spielen und sonst nur auf den großen Festivals zu sehen sind.

Wie seht ihr Bookings von Künstlern wie beispielsweise Salvatore Ganacci (14.12.), der die EDM-Szene spaltet - jedoch viel Aufmerksamkeit verspricht?

(Salvatore Ganacci war in der Vergangenheit immer wieder durch seine Auftritte aufgefallen. In seinen Shows macht der DJ beispielsweise Liegestütze oder andere kuriose Moves zur Musik. Ganacci polarisiert durch seine Auftritte und sorgt für einige Kritik innerhalb der EDM-Szene, Anm. d. Red.)

Niclas Aigner: Das war eine Fremdveranstaltung - aber wir vertreten im Grunde den Standpunkt, zu allem zu stehen, was bei uns stattfindet. Uns war schon im Vorfeld klar, dass der Auftritt zu Diskussionen führen wird. Aber das vergangene Wochenende hat uns auch wieder gezeigt, dass wir beides machen können. Zum einen war die Veranstaltung mit Salvatore am Freitag restlos ausverkauft, genauso wie unser Samstag-Event mit der Techno DJane Amelie Lens. Hinter der Kunstfigur Salvatore Ganacci sehe ich zudem viel Kalkül, weil er in gewisser Weise die gesamte elektronische Musikszene parodiert. Das, was er macht, machen alle DJs - nur, dass er es halt komplett auf die Spitze treibt. Was unter anderem für Ganacci spricht, ist, dass sein Manager Sebastian Ingrosso von der Swedish House Mafia ist.

Niklas van Lipizg: Im Clubumfeld haben wir Salvatore Ganacci eher als ruhigen Menschen wahrgenommen. Aber am Ende des Tages ist sowieso erst mal alles Show. Macht jeder. In dem Fall ist es vielleicht nicht für jeden was. Manche finden gut, was er macht, andere eben nicht. Das ist jedoch nichts, wofür man sich als Club schämen muss.

Das Butan in Wuppertal wird am 25./26.12. schließen. Was bedeutet das für das Bootshaus? Was verändert sich für euch?

Niclas Aigner: Es wird sich relativ wenig verändern. Wir haben uns in der Vergangenheit jedoch öfter gegenseitig geholfen, indem wir Doublebookings gemacht haben - also ein DJ an einem Abend in beiden Clubs aufgetreten ist. Ob sich jetzt Zielgruppen verschieben, können wir momentan noch nicht sagen.

Studien zeigen, dass die Anzahl der Clubs in Deutschland massiv sinkt, während Bars und Festivals immer beliebter werden. Wie begründet ihr das deutsche Clubsterben und was macht das mit der Szene?

Niclas Aigner: Zum einen sind Großraumdiskotheken einfach nicht mehr zeitgemäß. Die Leute wollen entweder eine bestimmte Richtung haben oder einen speziellen Künstler sehen. Zum anderen wollen die Leute eher in der Stadt feiern. Großraumdiskos hatte man vor allem überwiegend auf dem Land. Persönlich habe ich auch den Eindruck, dass die Leute spezifischer Events aussuchen. Hier steht neben dem Line Up auch oftmals das „Feeling“, welches der Club oder das Festival vermittelt, im Vordergrund.

Niklas van Lipizg: Ich denke nicht, dass Clubs im Allgemeinen unbeliebter werden. Die Leute suchen sich halt einfach ihre Sparte, ihren „Wohnzimmerclub“ - und sind dann auch bereit, dafür Strecken auf sich zu nehmen.

Niclas Aigner: Ursache für das Clubsterben in Deutschland sind häufig auch urbane Wandlungsprozesse. Bauprojekte scheinen da manchmal wichtiger, als Kultur zu erhalten. Auch in Köln-Ehrenfeld und Mülheim wird gebaut - wodurch viele Clubs und auch das Bootshaus betroffen sind.

(Da der Wohnungsmarkt in Köln immer noch angespannt ist, sind verschiedene Bauprojekte in Planung. So auch in Köln-Deuz und Mühlheim, Anm. d. Red.)

Auf was kann man bei euch im nächsten Jahr gespannt sein?

Niclas Aigner: Es gibt das Nibirii-Festival, das im kommenden Jahr am Dürener Badesee stattfinden wird. Das Ganze geht in die Richtung Goa, Techno, aber auch Drum and Bass. Unter anderem werden Vini Vici, Felix Kröcher, Marika Rossa und Björn Torwellen auflegen. Hier solltet ihr auf jeden Fall ein Auge drauf haben. Zudem arbeiten wir weiter an unserem neuen Projekt „Snash“ - auch hier wird es weiter spannende Entwicklungen geben.