Thomas Gottschalk wechselt zur ARD
München/Berlin (dpa) - Thomas Gottschalk geht auf volles Risiko: Im letzten Drittel seiner Karriere verlässt der 61-Jährige die vertraute Showbühne am Samstagabend und versucht sich erneut an einer fast täglichen Live-Sendung - ein Unterfangen, mit dem er schon einmal gescheitert ist.
Die ARD kann den Wechsel des letzten großen Fernsehentertainers alter Schule zunächst als Coup feiern - doch vielleicht lacht am Ende der momentane Verlierer ZDF? Der Mainzer Sender hätte Gottschalk wohl gern gehalten: 25 Jahre hatte der Showmaster das Unterhaltungsflaggschiff „Wetten, dass..?“ durch schwere Fernseh-See gesteuert. Der schlimme Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch im Dezember 2010 bedeutete das jähe Aus. Gottschalk konnte nicht, wollte nicht weitermachen. Noch dreimal wird er im Herbst „Wetten, dass..?“ präsentieren, dann ist Schluss.
Eine wöchentliche Talkshow wollte man ihm geben, zusätzlich einige Abendshows. Die Benefizgala „Ein Herz für Kinder“ und den ZDF-Jahresrückblick moderierte Gottschalk ohnehin seit Jahren. Doch offensichtlich wollte es Gottschalk nochmal wissen.
Da kam ARD-Programmdirektor Volker Herres mit seinen ambitionierten Umbauplänen zum schwächelnden Vorabend des „Ersten“ gerade recht: Viermal pro Woche - von Montag bis Donnerstag - darf Gottschalk ab Januar ran, jeweils eine halbe Stunde vor der „Tagesschau“ soll er live mit Promis und Experten über aktuelle Themen plaudern - als Beispiel nannte Herres selbst die ausufernden Facebook-Partys. Die junge Internetgemeinde soll sich per Facebook/Twitter/Skype aktiv beteiligen. Ein 61-Jähriger als Verjüngerer des ARD-Programms?
Zumindest personell steht die ARD jetzt blendend da: Nach dem Weggang von Jörg Pilawa zum ZDF wurde zunächst Gottschalk-Freund und RTL-Quotenbringer Günther Jauch für den Sonntags-Talk verpflichtet, dann wechselten Sat.1-Show-Allzweckwaffe Kai Pflaume und ProSieben-Spaßmoderator Matthias Opdenhövel zum „Ersten“, nun auch noch der TV-Dino „Thommy“.
Naturgemäß überschlug sich die ARD am Freitag nach der Verkündung des TV-Coups mit Lob: Der Grimme-Preis für Gottschalk spreche Bände (Herres), „einer der größten Entertainer“ (Vorabendkoordinator Frank Beckmann) und eine „stilprägende Persönlichkeit“ (ARD-Vorsitzende Monika Piel) sei nun zur ARD zurückgekehrt. Denn in den 70er Jahren hatte Gottschalk als Radiomoderator beim Bayerischen Rundfunk seine Karriere gestartet.
Dabei wird geflissentlich vergessen, dass Gottschalk in seiner bewegten Karriere auch eine Menge Misserfolge hatte: Die RTL-Sendung „Gottschalks Late Night“ 1992: ein Flop; das Sat.1-Format „Gottschalk kommt“ 1996 bis 1999: eine Enttäuschung; die ZDF-Versuche „Gottschalk & Friends“ (2005), „Die Cleversten - der große Drei-Länder-Check“ (2005/2006), „Musical Showstar 2008“ und „Gottschalks America“: alles Schwachstellen im Programm. Einzig „Gottschalks Hausparty“ (1995 bis 1997 bei Sat.1) kann als Erfolg gewertet werden.
Der Showmaster ist sich des Risikos sehr wohl bewusst - im Juni hatte er vor der Mallorca-Ausgabe von „Wetten, dass..?“ selbst orakelt: „Es gibt ein großzügiges Angebot vom ZDF, und es gibt ein Angebot von der ARD, das eine große Herausforderung darstellt, aber das Risiko ist größer.“ Die TV-Plaudertasche hat sich für das Risiko entschieden - nach dem Motto: „Top, die Wette gilt!“
Die Nachfolge bei „Wetten, dass..?“ ist noch nicht geregelt. Derzeit gilt Entertainer Hape Kerkeling in der Branche als aussichtsreichster Kandidat, aber auch eine andere Variante mit Gottschalks bisheriger Co-Moderatorin Michelle Hunziker als Gesicht der Sendung gewinnt an Konturen. Jedenfalls gab die 34-jährige Schweizerin zuletzt auffallend viele Interviews, war mit Fotostrecken in Hochglanzmagazinen präsent, erhielt in der „Bild“ am Freitag sogar die Titelgeschichte - Schlagzeile: „Hunziker feuert ihren Bodyguard“. Das hat zwar alles nicht viel mit „Wetten, dass..?“ zu tun, aber fürs Fernsehgeschäft gilt ja: Hauptsache, man bleibt im Gespräch.