Warum geht Winfried Glatzeder ins Dschungelcamp?

Berlin (dpa) - 68 Jahre, faltig und stolz wie Oskar, dass er mit dem Schuhlöffel am juckenden Rücken „runter bis zum Hintern“ kommt.

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Wenn Winfried Glatzeder demonstriert, wie er mit Hilfe seines Multifunktionswerkzeugs im Dschungelcamp überleben möchte, ist vom Glanz vergangener schauspielerischer Hoch-Zeiten nichts mehr zu spüren. Mit der Hauptrolle in Heiner Carows „Die Legende von Paul und Paula“ wurde Glatzeder 1973 berühmt. Seine Biografie listet einige Jahre als „Tatort“-Ermittler Ernst Roiter und Engagements etwa am Berliner Kudamm-Theater und der Ost-Berliner Volksbühne auf. Hat so einer es nötig, sich von RTL bei der Intimwäsche zeigen zu lassen?

„Er ist nicht mehr der deutsche Belmondo, als der er einmal galt“, sagt Psychiater Borwin Bandelow von der Universität Göttingen. „Es gab lange Jahre, in denen er orientierungs- und joblos war und das gar nicht gut verkraften konnte.“ Denn Glatzeder sei ein leidenschaftlicher Schauspieler, der sich nicht damit abfinden könne, dass er als ehemaliger DDR-Kultfilmstar heutzutage weniger gefragt sei als jüngere Kollegen.

Glatzeder selbst rechnet mit sonorer Stimme vor laufender Kamera vor: „Wenn man am Theater arbeitet, dann hat man in seinem ganzen Leben vielleicht zwei Millionen erreicht.“ Ein einziger Abend im Fernsehen bringe acht Millionen Zuschauer. „Das ist unvorstellbar“, sagt er und bekennt, diese Show mache er nur, „weil ich viele, viele Leute erreichen will, um endlich bekanntzuwerden“.

Bandelow sagt: „Die Leute, die ins Dschungelcamp gehen, streben nach jeder Art von Ruhm und nehmen dafür auch in Kauf, dass sie sich blamieren können.“ Geld sei nur ein zweitrangiger Grund. Die Glatzeder-Gage betrage rund 45 000 Euro, spekulierte die „Bild“. Laut „Welt“ sollen es 68 000 Euro sein. So oder so wäre das Mittelklasse.

Als Teilnehmer im Rentenalter ist Glatzeder keine Ausnahme. Vor ihm stellten sich schon andere Ältere den Dschungelprüfungen mit Känguruhoden und Co. Darunter vermeintlich gefallene Stars wie Schauspieler Helmut Berger („Die Verdammten“, „Ludwig II.“), der es im vergangenen Jahr gesundheitlich bedingt gerade mal zwei Tage am Lagerfeuer in Australien aushielt. Auf der anderen Seite gewann mit der damals 77 Jahre alten Ingrid van Bergen die älteste Kandidatin die vierte Staffel von „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“

Glatzeder, Berger oder auch dem 68er-Altkommunarden Rainer Langhans attestiert Medienpsychologe Jo Groebel von der Business School Berlin Potsdam einen Hang zur öffentlichen Aufmerksamkeit. „Und beim Dschungelcamp kriegt man eine ordentliche Injektion Öffentlichkeit mit - vor allem wegen der großen Begleitpublicity.“ Groebel bemüht zudem die alte Binsenweisheit, dass Bekanntheit an sich schon ein Wert ist - egal ob positiv oder negativ.

Er räumt aber auch ein, dass für die Altstars ebenso wie für die jungen Promis Abenteuerlust oder der Spaß an den Schattenseiten des sozialen Lebens gleichermaßen Ansporn für die Teilnahme bei der Show sein können. Zumal diese den Ekelfaktor nach seiner Einschätzung längst überwunden hat. Bandelow argumentiert, dass gerade die Älteren auch bessere Chancen hätten, die Sendung unbeschadet zu überstehen: „Sie sind stabiler, zeigen weniger Emotionen und können den anderen gegebenenfalls Rat geben aufgrund ihrer Lebenserfahrung.“

Ist der australische Dschungel mit Klodienst, Nacktbaden und 24-Stunden-Dauerüberwachung also eine Chance, um wieder an alte Erfolge anzuknüpfen? „Désirée Nick kann heute nur noch Geld verdienen, weil sie damals dabei war“, sagt Bandelow mit Blick auf die Dschungelkönigin der zweiten Staffel. Und Glatzeder? Der Kinofilm „Der Letzte Sommer der Reichen“, in dem er unter anderem mit Helmut Berger spielt, soll in diesem Frühjahr fertiggestellt werden.

Nun muss er sich aber zunächst im Dschungelcamp schlagen. In den ersten Tagen zeigt ihn RTL vor allem vom 21-jährigen Camp-Küken Model Larissa Marolt genervt oder nackt bei der ausgiebigen morgendlichen Intimpflege. Glatzeder aber denkt weiter: „Wenn ich Dschungelkönig werden würde, dann würde ich mich über den Ärger aller meiner Kollegen, die gesagt haben, warum gehst du da hin, freuen.“