Tatort "Wer bin ich?": Tukur-"Tatort" spaltete TV-Nation

Berlin (dpa) - Zwischen Lob als bestem Sonntagskrimi 2015 und Verriss als wirrem Fernsehstück: Der letzte „Tatort“ des Jahres mit Ulrich Tukur und dem Titel „Wer bin ich?“ hat als Film-im-Film die Gemüter gespalten.

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Kritiker hatten das Werk vom Hessischen Rundfunk (hr) vorab viel gelobt, die Reaktionen der Zuschauer waren auch oft begeistert, einige kritisierten aber auch die Selbstverliebtheit der TV-Verantwortlichen. Die Einschaltquote war unterdurchschnittlich mit 7,06 Millionen Zuschauern. Im Schnitt lag sie 2015 bei 9,6 Millionen.

Bereits der vorangegangene Tukur-„Tatort“ mit dem Titel „Im Schmerz geboren“ (12. Oktober 2014) war vielen in Erinnerung geblieben: wegen seiner ungewöhnlichen Western-Ästhetik und einem Leichenrekord mit Dutzenden Toten. Er gewann im Frühjahr unter anderem einen Grimme-Preis.

Der „Bild“-Zeitung vom Montag war der Film „Wer bin ich?“ die Titel-Schlagzeile wert: „Die große "Tatort"-Verarsche“. Der Film sei „totaler Mist“ gewesen, „viel zu verkopft“.

Tausende Zuschauer in Foren, bei Twitter oder Facebook lobten die „komische Parodie“ als eine Art „Kafka-Erzählung“, freuten sich über „mehr Metaebenen als die Polizei erlaubt“. Andere gaben zu, intellektuell überfordert gewesen zu sein oder kritisierten die „Nabelschau“ der öffentlich-rechtlichen ARD oder äußerten gleich die übliche Kritik am Rundfunkbeitrag und dem „Tatort“-Kult überhaupt.

Schon nach vier Minuten war klar: Das wird kein gewöhnlicher Sonntagskrimi. Die beiden Leichen, die Tukur als LKA-Ermittler Felix Murot in einem Parkhaus findet, sind nicht echt. Sie gehören zu „Tatort“-Dreharbeiten. Von da an entwickelte sich ein Film-im-Film, in dem Tukur den Schauspieler Tukur spielt und wegen eines tödlichen Autounfalls eines Kollegen aus der Aufnahmeleitung unter Verdacht gerät. Die Auflösung des Films, der mehr eine komödiantische Abrechnung mit dem eitlen Film- und Fernsehgeschäft ist als ein Krimi, war am Ende sehr philosophisch.

Auch Barbara Philipp (Murots Assistentin) spielte sich als Schauspielerin selbst (und nicht ihre Figur); auch die anderen hr-„Tatort“-Kommissare, Wolfram Koch und Margarita Broich aus Frankfurt, tauchten auf und spielten sich selbst in dem Film.

Und der Schauspieler Martin Wuttke, der nach seinem Ausstieg als Leipziger „Tatort“-Kommissar angeblich Geld braucht, lief als wahnsinniger Wuttke in einer Gastrolle zu Höchstform auf.

hr-„Tatort“-Redakteur Jörg Himstedt, der als Jens Hochstätt (gespielt von Michael Rotschopf), kaum gut wegkam im Film, sagte vorab: „Der Film funktioniert auf zwei Ebenen: als Satire, und wer das nicht so sieht, für den ist es zumindest immer noch extrem unterhaltsam.“

Tukur hatte gesagt: „Das ist eine Geschichte über Sein und Schein, über Spiel und Wirklichkeit, aber auch die Tragödie eines Menschen, der zerbröselt und peu à peu aus der Wirklichkeit gemobbt wird.“

„Wer bin ich?“ war der 40. und letzte neue „Tatort“ des Jahres 2015. Damit wurden so viele Krimis aus der Reihe gezeigt wie noch nie in der 45-jährigen Geschichte des TV-Klassikers.

Der Marathon mit neuen „Tatorten“ geht in den kommenden Tagen weiter: Am 1. und 3. Januar ist eine Hamburg-Doppelfolge mit Til Schweiger und Fahri Yardim im Ersten angesetzt. In der Folge „Der große Schmerz“ an Neujahr ist Schlagerstar Helene Fischer in einer Gastrolle dabei. Zwei Tage später kommt „Fegefeuer“. Der verantwortliche NDR hatte die Actionfilme im November wegen zu aktueller Bezüge zum Terror in Paris kurzfristig aus dem Programm genommen und auf Anfang Januar verschoben.

Til Schweiger äußerte sich übrigens am Sonntagabend auch zum Tukur-„Tatort“ bei Facebook: „Der Tatort heute war.... aussergewöhnlich...am 1.1. 2016 geht's wieder ganz normal weiter...!“