Grönemeyer geht noch lange nicht vor Anker
Berlin (dpa) - So dynamisch hat man Herbert Grönemeyer lange nicht mehr erlebt. Wuchtige Beats, stürmische Texte - „Herbies“ neues Album „Schiffsverkehr“ strotzt geradezu vor Kraft und Energie.
Beim Anhören wird schnell klar: Der 54-Jährige will aufbrechen, die Vergangenheit hinter sich lassen.
„Endlich auf hohe See“, singt er beim Auftaktstück laut von der Kommandobrücke herab und fragt im nächsten Song: „Hast Du das Herz, auf Kaperfahrt zu gehen?“ Forsch und mitreißend, doch manch Leichtmatrose könnte dabei auch seekrank werden. Musikalisch prescht Grönemeyer auf seinem neuen Werk, das an diesem Freitag erscheint, nämlich ganz schön nach vorne.
Am Dienstag stellte der Sänger sein neues Werk in Berlin erstmals der Öffentlichkeit vor, bei einem Dampferausflug auf der Spree. Dabei war der letzte Schliff an die elf Songs erst Ende Februar angelegt worden, wie er verrät. „Wir arbeiten immer auf den letzten Drücker.“
Geschadet hat es dem Album nicht. Es ist bemerkenswert vielfältig und bunt. Denn natürlich finden sich neben druckvollen Rock- und Pop-Titeln auch wieder gefühlvolle, melancholische Balladen wie „Unfassbarer Grund“ oder „Zu Dir“. Und Nummern wie das ausgelassene „Fernweh“ erinnern tatsächlich an „Mambo“ und „Männer“, die fetzigen Klassiker aus seinem heiteren Frühwerk. Ja, „Schiffsverkehr“ sei durchaus eine Rückkehr zu den 80er Jahren, bestätigt Grönemeyer.
Dazwischen lag für den Künstler eine sehr schwierige Zeit. 1998 starben kurz aufeinander einer seiner Brüder und seine Frau. Diesen schweren Schicksalsschlag verarbeitet er in seinen Werken bis heute, vor allem aber im Album „Mensch“ von 2002. „"Mensch" war das Wieder-Laufen-Lernen“, sagt Grönemeyer. Danach sei noch das etwas „zerklüftete“ Album „12“ gekommen, das neue „Schiffsverkehr“ markiere aber nun endgültig den Neuanfang: „Aufbruch, Versuch des Neubeginns“, unterstreicht der Sänger.
Gut ein Jahr lang hatte sich der Ruhrpottler Zeit gelassen, sein mittlerweile 13. Studioalbum zu produzieren. Dass er ein Meisterwerk vorlegen wollte, daran lässt zumindest die Liste der Schaffensorte keinen Zweifel. Zunächst ließ er sich in Stockholm inspirieren, besuchte das Mono Music Studio von Abba-Legende Benny Andersson. Am Hafen schaute „Herbie“ den ein- und auslaufenden Schiffen zu.
Weitere Teile von „Schiffsverkehr“ entstanden in der Abbey Road in London und in den Electric Lady Studios in New York. Pop- und Rock-Giganten wie David Bowie, die Rolling Stones oder John Lennon haben dort produziert. Grönemeyer reihte sich „mit Ehrfurcht“ in diese Galerie ein, wie er sagt. Zufrieden Anker werfen wolle er aber noch lange nicht.