Haiti betet und gedenkt der Erdbeben-Toten
Port-au-Prince (dpa) - Unter Anteilnahme der internationalen Gemeinschaft hat Haiti am Mittwoch des verheerenden Erdbebens von vor einem Jahr gedacht. Tausende weiß gekleidete Menschen strömten ins Zentrum von Port-au-Prince, um an dem zentralen Trauergottesdienst in den Ruinen der Kathedrale teilzunehmen.
Auch in allen anderen Städten und Ortschaften Haitis gedachten die Haitianer ebenso wie die Helfer der internationalen Organisationen in Haiti des verheerenden Erdbebens von vor einem Jahr.
Um exakt 16.53 Uhr (Ortszeit) soll das gesamte öffentliche Leben Haitis stillstehen, um an die über 220 000 Toten der Katastrophe vom 12. Januar 2010 zu erinnern. Nach der Schweigeminute sollen über den Erdbebengebieten Tausende von weißen Luftballons aufsteigen. Zu den Trauergästen gehört der frühere US-Präsident und UN-Beauftragte für Haiti, Bill Clinton. Angereist ist auch der in den USA lebende Rapper Wyclef Jean.
Das Erdbeben hatte Port-au-Prince zum großen Teil zerstört. Auch nahe Städte wie Leogane, Petit Goave und Jacqmel an der Südküste wurden dem Erdboden gleichgemacht. Die seit 2004 in Haiti stationierte UN-Mission Minustah teilte am Mittwoch in ihrer Jahresbilanz mit, dass 222 570 Menschen den Tod fanden. 300 572 wurden demnach verletzt. 1,5 Millionen Menschen verloren ihr Obdach. Ganz Haiti war von dem Unglück betroffen, da Hunderttausende von Obdachlosen in andere Regionen flüchteten, um dort zu überleben.
Präsident René Préval hatte den 12. Januar zum nationalen Tag der Trauer ausgerufen. In den Kirchen und Gotteshäusern wurde gebetet und gesungen. Die Trauernden zogen zu den Friedhöfen, um ihre Toten zu besuchen. Und in langen Märschen wanderten die Menschen erstmals zu den großen Massengräbern außerhalb der Städte, wo nach dem Erdbeben viele Zehntausende Tote anonym verscharrt worden waren. Dort legten sie Kränze oder Blumen nieder. Zudem wurde am Mittwoch eine Liste geöffnet, in die Überlebende die Namen ihrer Toten einschreiben können. Restaurants und die meisten Geschäfte sind geschlossen.
Die Regierung bemühte sich, angesichts des Elends Zeichen der Hoffnung auf eine Besserung auszusenden. So wurde nach langer Bauzeit der traditionsreiche „Eiserne Markt“ im Zentrum der Hauptstadt wiedereröffnet. Außerdem wurde der Grundstein für ein neues Rathaus gelegt. Das alte war wie viele Regierungsgebäude beim Erdbeben eingestürzt. In vielen haitianischen Städten waren von den Behörden organisierte Aktivitäten unter dem Motto „Feier des Lebens“ geplant.
In Deutschland zollte das Deutsche Rote Kreuz den Menschen in Haiti seinen tiefen Respekt. „Die Haitianer haben in den vergangenen zwölf Monaten Stärke bewiesen und Haltung gezeigt. Ihr Überlebenswille und ihre Widerstandskraft sind bewundernswert, angesichts von Krankheit und Elend und des vielfachen Versagens der staatlichen Stellen“, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters.
Nach Meinung des deutschen Technischen Hilfswerks (THW) steht Haiti noch immer vor unheimlich schwierigen Aufgaben. Zusätzlich zu den Zerstörungen des Bebens habe der Ausbruch der Cholera „die ohnehin schon dramatische Situation verschlechtert“, sagte THW-Präsident Albrecht Broemme am Mittwoch in seiner Bilanz des vergangenen Jahres. Während der zurückliegenden zwölf Monate konzentrierte das THW in Haiti seine Arbeit auf Baumaßnahmen, Trinkwasseraufbereitung und Hygiene-Hilfe.
Mehr als 76 Millionen Liter Trinkwasser bereitete das THW in den ersten Monaten nach der Katastrophe auf. Nun befinde sich das Hilfswerk in der Übergangsphase zwischen Nothilfe und langfristigem Wiederaufbau, sagte Sprecher Oliver Hochedez. Ein Ende des Engagements in dem Inselstaat sei nicht abzusehen. Es werde so lange Hilfe geleistet, „wie wir vor Ort auch gebraucht werden“, sagte er.