Handel: Der Wert des Doktortitels
Der Skandal um den Handel mit dem akademischen Grad zeigt die Bedeutung, die dieser in Beruf und Gesellschaft hat.
Köln. Loriots nackte Comic-Männchen wahren sogar in der Badewanne die Etikette: "Herr Doktor Klöbner!", wehrt sich Herr Müller-Lüdenscheid beim Streit um die Ente, einer Persiflage auf bürgerliche Gepflogenheiten.
Wie wichtig ist der Doktorgrad in Deutschland? Ziemlich, so scheint es der Skandal um möglicherweise gekaufte Titel zu zeigen, in dem die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt.
In der Wissenschaft, besonders in der Medizin und der Chemie, bedeutet eine Promotion oft nicht nur Prestige, sondern auch berufliches Fortkommen.
Heutzutage werden jedes Jahr nach Schätzungen um die 25 000 Promotionen vorgelegt. Der "Dr." steht im Pass und schindet bei manchen Eindruck.
"Keiner weiß so genau, wann es angefangen hat, aber die Deutschen leiden an einer Doktortitel-Manie", schrieb der britische Kolumnist Roger Boyes in einer Glosse. Nicht nur er fand Geschmack am Thema: Das Buch "Dünnbrettbohrer in Bonn" über die Dissertationen von Politikern war früher in Wohngemeinschaften Klo-Lektüre, neben dem Satireblatt "Titanic".
Auch in der Warenwelt ist der Doktor zu finden, von "Dr. Oetker" über "Dr. Hauschka" bis "Dr. Best", der Tomaten mit der Zahnbürste traktierte. Solche Namen vermitteln Seriosität.
Bekannte Akademiker gibt es einige, von den Klitschko-Brüdern bis Altkanzler Helmut Kohl. Kohl hat neben einem wissenschaftlichen Titel weit mehr als 20 Ehrendoktorhüte. Angela Merkel könnte bei Staatsempfängen über Physik plaudern, wobei sich ihre Dissertation von 1986 nicht für Small Talk anbietet.
Das Thema: "Die Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden." Angesprochen wird Merkel üblicherweise mit "Frau Bundeskanzlerin". Der Doktortitel kommt vor ihren Namen, wenn es eine Rolle spielt oder es das Protokoll erfordert.
Als Merkels Amtsvorgänger Helmut Kohl einmal von einem Journalisten als "Herr Kohl" angesprochen wurde, antwortete dieser erzürnt: "Für Sie bin ich immer noch Dr. Kohl". Höflich wäre die Anrede mit dem Titel zwar in der Tat gewesen. Doch Teil des Namens ist der Doktortitel dennoch nicht.
Der Doktorgrad ist ein von der Hochschule verliehener akademischer Grad. Eine Hochschule kann durch Verleihung eines solchen Grades keinen Namen verändern. Die Hochschule würdigt mit dem Titel eine erbrachte wissenschaftliche Qualifikation oder ehrt mit der Ehrendoktorwürde (honoris causa) eine herausragende Lebensleistung. Das Namensrecht hingegen ist Sache des Staates.
Durchaus ein Teil des Namens ist dagegen die Adelsbezeichnung. Bis 1919 sagte diese noch etwas über den Stand, über die gesellschaftliche Stellung aus. Doch dann ordnete die Weimarer Reichsverfassung an: Öffentlich rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Darum darf etwa unser Bundeswirtschaftsminister den "Freiherrn" nicht offensiv vor seinem Vornamen zu Markte tragen, sondern muss ihn ein wenig verstecken: Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg.
Ist die korrekte Doktor-Anrede überhaupt noch wichtig auf dem Gesellschaftsparkett? "Kommt darauf an, auf welchem Parkett Sie sind", sagt die Freiburger Kommunikationstrainerin Elisabeth Bonneau.
Ein Muss war der "Doktor" demnach noch nie, eben weil der akademische Grad nicht Teil des Namens ist. Für Bonneau ist die Anrede jedoch ein Akt der Wertschätzung, des Respekts und der Höflichkeit.