Heilungen in Lourdes: Wunder gibt es immer wieder
Ein deutscher Arzt untersucht angebliche Heilungen von Pilgern in Lourdes. Viele davon sind medizinisch zu erklären, einige nicht.
Lourdes. Der Wallfahrtsort Lourdes zieht jedes Jahr Millionen Pilger an. Darunter auch Zigtausende Kranke, die auf Genesung hoffen. Im medizinischen Büro des südfranzösischen Städtchens melden sich etwa 30 bis 40 Menschen im Jahr, die nach einem Besuch in Lourdes plötzlich wieder gesund geworden sein wollen, sagt Arzt Rolf Theiß im rheinland-pfälzischen Saarburg.
Der Chirurg gehört seit 20 Jahren als einziges deutsches Mitglied dem internationalen medizinischen Komitee an, das in Lourdes ungewöhnliche Heilungen aus wissenschaftlicher Sicht prüft. „Die wenigsten Fälle aber sind wirklich unerklärlich“, sagt Theiß.
2012 meldeten sich Pilger mit angeblichen Heilungserfolgen etwa bei Nierenkrebs, Hepatitis C, Lähmungen und Epilepsie. „Es geht immer querbeet“, sagt der 66-Jährige. Hauptaufgabe der rund 20 Professoren und Ärzte sei die Klärung der Krankengeschichte: Um was für eine Erkrankung handelte es sich genau?
Anders als vor 50 Jahren kämen heute auch viele vorbehandelte Patienten nach Lourdes. „Da müssen wir genau prüfen, ob die Heilung nicht eine Folge der Behandlung sein könnte“, sagt Theiß. Wichtig sei auch zu klären, ob eine Krankheit dauerhaft verschwinde. Bis ein Fall als unerklärlich eingestuft werde, werde er manchmal über Jahre der Prüfung unterzogen.
Ein Wunder ist es dann noch lange nicht. Denn für die Anerkennung einer Heilung als Wunder ist die katholische Kirche zuständig — und zwar konkret der Ortsbischof jener Region, aus der der Geheilte stammt. Zuletzt gab es im Jahr 2012 ein solches Wunder: Die italienischen Ordensschwester Luigina Traverso, die an einer Beinlähmung litt, wurde in der Mariengrotte geheilt.
Theiß kennt die Akte bis ins letzte Detail. „Sie hat uns Jahre beschäftigt.“ Denn Traversos (79) Heilung geht bereits auf das Jahr 1965 zurück. Damals war sie mit ihrem gelähmten Bein auf einer Tragbahre in den Gottesdienst getragen worden — und konnte plötzlich den Fuß wieder bewegen. „Sie ist heute noch gesund“, sagt Theiß.
Eine medizinische Erklärung für die Heilung gebe es nach eingehender Prüfung „nach dem heutigen Stand der Wissenschaft“ nicht.
Die Wallfahrtszeit in Lourdes geht von April bis Oktober. Mit rund sechs Millionen Pilgern im Jahr gilt die Stadt als einer der meistbesuchten Wallfahrtsorte der Welt.
„Wir Mediziner sprechen nicht von Wundern“, sagt Theiß. Er ist der Überzeugung, dass es Spontanheilungen auch an anderen Orten der Welt geben kann. „Es gibt überall Dinge, die man nicht erklären kann“, sagt der gebürtige Rheinländer.
Das Besondere in Lourdes sei, dass hier viele Kranke an einem spirituellen Ort zusammenkämen. Ob er einem Kranken, der gelähmt sei oder an Multipler Sklerose leide, zu einer Wallfahrt nach Lourdes raten würde? „Nicht zur Therapie“, sagt Theiß.