Hochwasser: Der Abend, als die Flut kam
Straßen und Häuser unter Wasser, ein zerstörtes Freibad, geschädigte Firmen – Solingen und Remscheid traf es heftig.
Solingen/Remscheid. Als Brigitte Schmitz vom Hochwasser erzählt, das am Montagabend in ihr Haus an der Eschbachstraße im Solinger Stadtteil Unterburg eindrang, sind ihr die Strapazen dieser Nacht noch anzumerken. Sie kämpft gegen Tränen. Wasser habe 43 Zentimeter hoch in der Garage gestanden, hinter dem Haus sei dann noch der Abfluss übergelaufen - auch die ebenerdigen Wohnräume waren überschwemmt. Im Chaos der Flut waren die Menschen sehr hilfsbereit. "Mit dem Kehrblech und dem Eimer haben wir versucht, das Wasser schnell wieder rauszukriegen. Die Feuerwehr hatte keine Pumpe mehr übrig.
Etwa zwölf Stunden später ist das Schlimmste vorbei. Nur noch nasse Ränder an der Wand erinnern an die Überschwemmung. Jetzt warten Brigitte Schmitz und ihr Mann Heinz auf den Versicherungsvertreter. Etwas Positives sei geblieben von dieser schlimmen Nacht: "Ich bin ganz gerührt von der Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft von Freunden und Nachbarn.
Schlimm erwischt hat die Überschwemmung auch das Haus von Anna Meinerz. Ihr gehört das ehemalige Café Braun. In der Gaststätte riecht es streng: nach Moder, nassem Holz, Schlamm. Gleich von zwei Seiten sei das Wasser gekommen - vom Hang, der seit dem Orkan Kyrill weniger Wasser aufnehmen kann und mehr Schmutz bringt. Und aus dem überfluteten Eschbach. "Ich dachte, hier säuft alles ab. Die Sandsäcke der Feuerwehr kamen für sie zu spät. "Aus dem Abfluss der Küche kam ein Springbrunnen, das Wasser stand dann 30 Zentimeter hoch. Die Feuerwehr musste die Säcke wieder wegtragen, damit es abfließen kann.
Die Feuerwehr sei von den weiteren Flutwellen überrascht worden. "Schließlich gab es für den Eschbachpegel keine Warnung, so Feuerwehrchef Frank-Michael Fischer. "Wir waren schon mit 40 Mann und sechs Wagen im Einsatz, als die Leitstelle anrief und fragte, warum wir immer noch Verstärkung anfordern. Die Anwohner machen der Feuerwehr aber keine Vorwürfe. Was sie beschäftigt: Wann wird endlich etwas gegen das Hochwasser getan? Das versprochene Konzept umgesetzt? An den Häusern sind die Spuren des Drecks noch zu sehen, die der Eschbach mit sich führte. Auf der Straße nach Wermelskirchen hat der Fluss tonnenschwere Rohre einer Baustelle mitgerissen.
Besonders betroffen neben Solingen war Remscheid, wo die reißenden Ströme von Eschbach und Morsbach auch ihren Ursprung hatten: Die Becken des städtischen Freibads versanken in einem riesigen schlammigen See - ob und wann das aus Kostengründen gefährdete Bad wieder eröffnen kann, ist wegen der hohen Schäden noch unklar.
Die dürften für die Remscheider Industrie noch wesentlich höher ausfallen: Im teilweise überfluteten Morsbachtal sind zahlreiche Unternehmen angesiedelt, die ebenfalls binnen Minuten vom Wasser überrascht wurden. Besonders dramatisch war der verzweifelte Versuch der Remscheider Feuerwehr, die rasch steigenden Fluten in einer Härterei von den Härte-Becken fernzuhalten, damit nicht rund 10 000 Liter Spezial-Öl fortgespült wurden. Am Ende hatten die Helfer Glück, dass die braune Suppe aus Wasser, Öl und Schlamm zumindest weitestgehend auf dem Betriebsgelände gehalten werden konnte. Auch umherschwimmende Container konnten schließlich gesichert werden.
Kurz nach Mitternacht kam für den Spezialbetrieb und die Wehrleute der nächste Schlag: Zuerst züngelten Flammen aus dem 800 Grad heißen Härteofen, dann breitete sich das Feuer explosionsartig in der Firmenhalle aus. Wo eben noch die Fluten abgepumpt wurden, mussten nun kubikmeterweise Wasser hineingeschossen werden - dennoch brannte der Betrieb ab. Insgesamt verzeichneten die 300 Helfer in Remscheid rund 200 Einsätze.
Gewitterfront Eine Gewitterfront mit Starkniederschlägen war am Montagabend über das Wupperverbands-Gebiet gezogen. Besonders betroffen waren das Eschbach- und das Morsbachtal im Bereich Solingen und Remscheid. Hier kam es zu größeren Überschwemmungen.
Rekordniederschläge Im Bereich des Eschbachs sind innerhalb einer Stunde mehr als 78 mm Regen pro Quadratmeter gefallen, das entspricht etwa einem Zwanzigstel des gesamten Jahresniederschlages. Daher ist es zu einem Abfluss im Eschbach im Bereich Unterburg gekommen, der - statistisch gesehen - etwa alle 15 bis 20 Jahre auftreten kann.