„Hoffen auf Wunder“: Viele Tote nach Bohrinsel-Havarie

Moskau (dpa) - Nach dem Untergang einer Bohrinsel vor der russischen Küste wird die Suche nach den Opfern immer verzweifelter. Es gibt kaum noch Hoffnung, die 37 im eisigen Pazifik vermissten Menschen noch lebend zu finden.

Dennoch sind Rettungsmannschaften weiter im Einsatz - trotz Sturm und Nachteinbruch. „Wir beten für ein Wunder“, sagte ein Sprecher der Rettungskräfte am Montag auf der Insel Sachalin. Sie liegt mehr als 10 000 Kilometer östlich von Moskau. Suchmannschaften zogen bisher 16 Leichen aus dem Wasser.

Auf der Unglücksplattform „Kolskaja“ befanden sich ursprünglich 67 Menschen. 14 von ihnen waren nach der Tragödie vom Samstagmorgen gerettet worden. Angehörige der Opfer und die Justiz warfen dem Betreiber nun vor, die Sicherheitsrichtlinien missachtet zu haben. Dieser wies die Vorwürfe nach Angaben der Agentur Interfax zurück.

In der Inselhauptstadt Juschno-Sachalinsk beteten Angehörige der Vermissten bei einem Gottesdienst gemeinsam für eine Rettung. Für Hoffnung sorgte zeitweise die Nachricht, ein Rettungsboot mit möglicherweise bis zu 15 Überlebenden sei entdeckt worden. Die Behörden dementierten dies später.

Die örtliche Verwaltung stellte Angehörigen, die aus anderen Regionen angereist waren, kostenlos Unterkünfte zur Verfügung. „Zur Vermeidung einer Panik werden die Menschen psychologisch betreut“, sagte ein Behördensprecher.

Fünf Schiffe sowie ein Flugzeug und ein Hubschrauber setzten am Montag ihre Suche nach den Vermissten fort. „Alle Männer trugen Thermoschwimmwesten, sie könnten also noch leben. Aber es ist längst ein Wettlauf gegen die Zeit“, sagte ein Sprecher der Rettungskräfte.

Angesichts von fünf Meter hohen Wellen und eisigen Temperaturen gebe es nur wenig Hoffnung. Zudem habe die Mannschaft keine Zeit gehabt für eine koordinierte Rettung von der Plattform, die in 1442 Metern Tiefe stark beschädigt auf dem Meeresgrund liege.

Die Suche in der Region, deren Zeitunterschied zu Moskau sieben Stunden beträgt, ging auch in der Nacht zu Dienstag (Ortszeit) unvermindert weiter. Schiffe mit mächtigen Scheinwerfern fuhren die Unglücksstelle ab. Über dem Pazifik kreiste ein Helikopter mit Wärmebildkamera. „Nichts Neues“, funkten die Rettungsmannschaften jedoch nach Angaben der Agentur Itar-Tass zur Leitstelle auf Sachalin. Die Behörden hoffen nun auf eine angekündigte Wetterbesserung in den nächsten Tagen.

Die Generalstaatsanwaltschaft leitete unterdessen Ermittlungen gegen den Kapitän des Eisbrechers ein, der die Bohrinsel trotz Sturmwarnung von der Halbinsel Kamtschatka nach Sachalin schleppen wollte. Unklar sei auch, warum die Arbeiter während des Schleppmanövers auf der Plattform blieben und ob die Bohrarbeiten überhaupt erlaubt waren. Während der Fahrt hatten Eis und hohe Wellen die Luken beschädigt und die Plattform in 20 Minuten sinken lassen.

Der Eigentümer der „Kolskaja“ wehrte sich gegen Vorwürfe, dass Regeln missachtet wurden. „Die Wettervorhersage war günstig, das Schleppen erfolgte nach absolut üblichen Regeln“, sagte Sprecher Boris Lichwam.

Einer der Geretteten berichtete, es habe an Bord der sinkenden Plattform „Panik“ gegeben. „Als das Wasser eindrang, schrien alle und liefen durcheinander. Es war wie in einem Katastrophenfilm“, sagte Sergej Grauman nach Angaben Moskauer Medien. Andere Arbeiter hätten Rettungsboote zu Wasser gelassen, er habe aber nicht gesehen, ob die Männer es geschafft hätten, sagte der 24-Jährige. Als er aus dem Wasser gezogen worden sei, habe er dort „viele Körper“ gesehen.

Unmittelbar nach der Havarie waren in der aufgewühlten See rund 200 Kilometer vor der Insel Sachalin vier Tote entdeckt worden. In der Nacht zum Montag dann konnten Suchmannschaften zwölf weitere Männer nur tot bergen. Das teilte das Zivilschutzministerium mit. Sachalin liegt vor der sibirischen Ostküste.