Knapp drei Jahre Haft für Rentner wegen Sex mit Tochter
Mehr als 30 Jahre hatte er Sex mit der eigenen Tochter. Dafür wurde ein Rentner aus Bayern jetzt zu knapp drei Jahren Haft verurteilt: Inzest ja, Vergewaltigung nein, befanden die Richter.
Nürnberg (dpa). Mildes Urteil im Inzestfall von Willmersbach: Ein Rentner, der mit seiner Tochter über Jahrzehnte Geschlechtsverkehr hatte, ist vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden. Das Landgericht Nürnberg verurteilte den 69-Jährigen am Montag wegen Inzests lediglich zu zwei Jahren und acht Monaten Haft. Es sei nicht nachweisbar, dass der Angeklagte seine Tochter mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe, hieß es in der Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte zuletzt 247 Fälle von Vergewaltigung angeklagt: Sie forderte 14 Jahre Haft für den Mann, der mit seiner Tochter drei Kinder zeugte, von denen zwei starben.
Die heute 46-Jährige warf ihrem Vater im Prozess vor, sie 34 Jahre lang regelmäßig missbraucht und mit dem Tod bedroht zu haben, falls sie ihn verrate. Sie schilderte ein jahrzehntelanges Martyrium, das begonnen habe, als sie ein Teenager war. Der Vater hingegen sprach von einvernehmlichem Sex.
Das Gericht folgte der Darstellung der Verteidigung und begründete das Urteil mit der mangelnden Glaubwürdigkeit der Tochter.
Die 46-Jährige verließ am Montag mitten in der Urteilsbegründung den Gerichtssaal. Ihre Anwältin Andrea Kühne beklagte nach dem Urteil eine „gewaltige Kluft zwischen Juristerei und Psychologie“. Ob sie in die Berufung gehe, müsse sie erst mit ihrer Mandantin klären. Dagegen erklärte der Verteidiger des Vaters, Karl Herzog: „Ich halte das Urteil für ausgewogen. Das Urteil ist sehr sorgfältig begründet.“
Der Vorsitzende der 2. Strafkammer, Günther Heydner, sagte, die Aussagen der 46-Jährigen steckten voller Widersprüche. Damit sei der Vorwurf der Vergewaltigung nicht mehr haltbar. Auch von den angeklagten Inzestfällen hält er nur noch zehn Fälle für juristisch sauber nachweisbar - „auch wenn es sicherlich zu mehr Fällen des ungeschützten Geschlechtsverkehrs zwischen Vater und Tochter gekommen ist“, wie der Kammervorsitzende in seiner fast zweistündigen Urteilsbegründung betonte.
Keinen Zweifel ließ Heydner daran, das der häufige Sex zwischen Vater und Tochter „moralisch sicherlich eine Unglaublichkeit“ gewesen sei. Er habe auch „nicht in der entspannten Atmosphäre von Liebe und gegenseitiger körperlicher Zuneigung stattgefunden. Das war vielmehr eine Atmosphäre, in der der Angeklagte seine Stellung als Familienoberhaupt schamlos ausgenutzt hat“, sagte der Richter.
Trotzdem habe sowohl die Beweislage als auch das widersprüchliche Aussageverhalten der Tochter nicht den Vergewaltigungsverdacht erhärten können. „Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Tochter des Angeklagten zur Übertreibung neigt. Sie hat von Aussage zu Aussage eins draufgesattelt und die Ereignisse immer dramatischer geschildert.“ Immer wieder wichen die Aussagen bei der Kripo und vor Ermittlungsrichtern von den Aussagen vor Gericht ab.
Für Richter Heydner deutet vieles darauf hin, „dass die Tochter in eingeschliffener Weise die Entwürdigungen ihre Vaters weithin akzeptiert hat, ohne dass dabei Gewalt angewandt wurde“. Ein Grund sei auch gewesen, dass der Tochter auf diese Weise ein materiell abgesichertes Leben mit der Sozialhilfe und der Rente des Vaters garantiert gewesen sei. Hätte sie ihren Vater als den Erzeuger ihrer Kinder angegeben, hätte er statt der Sozialbehörde für den Unterhalt der Kinder aufkommen müssen - und das hätte das Familieneinkommen geschmälert.
Zum Auszug und damit zum Bruch mit ihrem Vater und ihrer Familie habe sie sich erst im Jahr 2010 entschieden. Zu diesem Zeitpunkt habe sie zu ihrer großen Enttäuschung erfahren, dass sie das Elternhaus in Willmersbach nicht allein erben werde, sondern es einmal mit ihren Brüdern teilen müsse.
Die Tochter hingegen hatte ihrem Vater in dem sechstägigen Prozess vorgeworfen, sie mit Drohungen und Schlägen so eingeschüchtert zu haben, dass sie jahrzehntelang nicht den Mut gefunden habe, sich zu offenbaren. Dies habe sie erst 2009 gewagt, als sie wegen Erpressung einer Arztehefrau zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Der ihr zugeteilten Bewährungshelferin hatte sie sich nach rund einjähriger Betreuung offenbart, so dass der Prozess ins Rollen kam.