Hunderte Hinweise zu Fall Maddie nach TV-Aufruf
London (dpa) - Ein TV-Aufruf im Fall der verschwundenen Maddie McCann hat der britischen Polizei Hunderte neue Hinweise gebracht. Fast 1000 Anrufe und E-Mails gingen bis Dienstagnachmittag bei der Londoner Polizei Scotland Yard ein, nachdem diese am Montagabend in einer BBC-Sendung neue Erkenntnisse sowie Phantombilder von Gesuchten vorgestellt hatte.
„Wir sind hocherfreut über die Reaktionen“, sagte Hauptkommissar Andy Redwood. Demnach hatten mehrere Anrufer zum Phantombild eines Mannes denselben Namen genannt. Mit den Hinweisen wurde auch die Hoffnung auf Erfolg der Aktion in Deutschland geweckt.
Der Leiter des renommierten Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, Christian Pfeiffer, kritisierte die Veröffentlichung neuer Phantombilder im Fall Maddie allerdings scharf. „Es ist kriminalistisch Unsinn zu hoffen, dass sechs Jahre nach der Tat auf der Basis von damaligen Zeugenaussagen heute Phantombilder erstellt werden können, und dass diese zweifelhaften Bilder auch noch brauchbare Hinweise bringen könnten“, sagte Pfeiffer den „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch). Dazu sei das menschliche Gedächtnis einfach zu schlecht.
Am Mittwoch wird der TV-Aufruf in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ gezeigt (20.15 Uhr). Für Dienstag war geplant, die niederländische Bevölkerung im TV-Fahndungsprogramm „Opsporing verzocht“ zur Mithilfe aufzurufen. Zwei der gesuchten Männer könnten Zeugenaussagen zufolge Deutsch oder Niederländisch gesprochen haben. Zudem waren in der Zeit von Maddies Verschwinden aus einer portugiesischen Ferienanlage im Frühjahr 2007 zahlreiche deutsche und niederländische Touristen vor Ort.
Das Bundeskriminalamt (BKA) hält sich in Bezug auf eine mögliche Spur nach Deutschland bedeckt. „Natürlich gibt es grundsätzlich eine Zusammenarbeit zwischen den britischen Behörden und dem BKA“, sagte eine Sprecherin in Wiesbaden. Bereits seit 2007, als das Mädchen in Portugal verschwand, gebe es eine internationale Vermisstenfahndung, „die selbstverständlich auch in Deutschland umgesetzt wurde“, fügte sie hinzu. Nähere Angaben wollte sie nicht machen - auch nicht dazu, dass der Fall Thema von „Aktenzeichen XY... ungelöst“ ist.
In der ZDF-Sendung werden auch die Eltern von Maddie, Gerry und Kate McCann, sprechen. Für das Fernsehen wurden die Geschehnisse in einem Kurzfilm mit Schauspielern nachempfunden. Maddies Mutter berichtet darin unter anderem, wie sie zunächst dachte, Maddie hätte sich in das Elternbett des Urlaubsappartements gelegt, als sie ihre Tochter nicht in deren Zimmer fand. „Dann kam langsam die Panik“, erinnert sie sich. Bis heute mache sie sich schwere Vorwürfe, die Kleine alleingelassen zu haben.
Die damals dreijährige Madeleine war am 3. Mai 2007 aus der Ferienwohnung in Praia da Luz an der portugiesischen Algarve verschwunden, während ihre Eltern in der Nähe beim Abendessen waren. Die Behörden in Portugal hatten ihre Ermittlungen 2008 ergebnislos eingestellt. Scotland Yard überprüfte diese. Nachdem Zeugenaussagen, Mobilfunkdaten und weiteres Material erneut betrachtet worden waren, habe sich der Schwerpunkt nun verschoben, erklärte Redwood.
Die Polizei geht jetzt davon aus, dass Madeleine später aus dem Appartement verschwand als zunächst gedacht - was die Möglichkeit eröffnet, dass ihre Mutter einen möglichen Entführer beinahe noch angetroffen hätte.
Die Polizei sucht nun vor allem einen Mann, der mit einem Kind auf dem Weg Richtung Strand gesichtet wurde. Identifiziert werden sollen zudem ein oder mehrere blonde Männer, die sich vor der Entführung in der Nähe des Appartements aufgehalten haben sollen.
Vieles deute auf eine „geplante Entführung“ hin, sagte Redwood in der Sendung. Er rief Zuschauer und Öffentlichkeit auf, vorgefertigte Meinungen in dem von Spekulationen umgebenen Fall abzulegen und neu nachzudenken: „Wir haben versucht, alles wieder auf Null zu setzen, auf Anfang, und von dort neu zu beginnen.“