Hurrikan „Sandy“ legt öffentliches Leben lahm
Washington/New York (dpa) - Hurrikan „Sandy“ hat bereits vor seinem Aufprall auf das US-Festland in Teilen der Ostküste mit Überflutungen und massiven Stromausfällen katastrophale Zustände ausgelöst.
Der Wirbelsturm steuerte am Montagnachmittag (Ortszeit) auf den Süden New Jerseys zu.
Er peitschte Wasser durch die Straßen der Stadt, Teile der Strandpromenade wurden beschädigt. Auch in anderen Küstenabschnitten machte sich „Sandy“ mit sintflutartigen Regenfällen, hohem Wellengang und Überflutungen bemerkbar. Dem Sender CNN zufolge waren bereits am Nachmittag rund 765 000 Menschen in mehreren Bundesstaaten von der Stromversorgung abgeschnitten.
Auch in der Millionenmetropole New York brachte der Sturm das öffentliche Leben schon vor seiner Ankunft fast zum Stillstand. Vorsichtshalber blieben Schulen, Behörden und öffentliche Einrichtungen bereits am Montag geschlossen und am Nachmittag wurden erste Sturmschäden gemeldet. Unter anderem stürzte auf der New Yorker West Side ein Baukran um. Die Wall Street machte erstmals seit 27 Jahren wegen Sturms dicht. Busse fuhren nicht, und die U-Bahn wurde ebenso wie viele Straßentunnel aus Angst vor Überflutung gesperrt.
Nach Einschätzung des Hurrikanzentrums in Florida sollte das Auge des Hurrikans noch im Laufe im Laufe des frühen Abends (gegen Mitternacht MEZ) den äußersten Süden New Jerseys oder den Staat Delaware erreichen. Allerdings wurden wegen des enormen Umfangs des Sturms die möglicherweise schwersten Auswirkungen bis zu hunderte Kilometer weit entfernt erwartet. „Sandy“ bewegte sich zuletzt mit etwa 30 Kilometern in der Stunde auf die US-Küste zu. Die Winde in seinem Wirbel erreichten aber 150 Kilometer in der Stunde.
Der Sturm wirkte sich bereits auch auf den Endspurt vor der US-Wahl am 6. November aus. Sowohl Präsident Barack als auch sein Herausforderer Mitt Romney sagten mehrere Termine ab. Obama kehrte von einer Wahlkampftour in Florida nach Washington zurück und rief die Bevölkerung eindringlich dazu auf, den Anweisungen der Behörden zu folgen. „Dies wird ein großer und mächtiger Sturm“, warnte er im Weißen Haus. Er machte aber auch Mut: „Wir werden das zusammen überstehen.“ Obama rief für Washington und New York sowie für die Bundesstaaten Maryland, Massachusetts und Delaware den Notstand aus.
Bei einer dramatischen Rettungsaktion brachten zwei Hubschrauber der US-Küstenwache 14 Besatzungsmitglieder des Filmschiffs „Bounty“ in Sicherheit. Zwei Menschen wurden allerdings auch Stunden nach der Aktion noch vermisst. Der aus dem Hollywood-Klassiker „Die Meuterei auf der Bounty“ von 1962 bekannte Großsegler war etwa 150 Kilometer südöstlich von North Carolina in Seenot geraten und aufgegeben worden. Die Hubschrauberbesatzungen hatten gegen sechs Meter hohe Wellen zu kämpfen, als sie die Menschen aus den Rettungsbooten an Bord holten.
Die Sturmschäden könnten sich nach Ansicht von Fachleuten auf etwa drei Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) belaufen. Wegen des Hurrikans sollten allein in New York fast 400 000 Bewohner ihre Häuser verlassen. Insgesamt könnten rund 60 Millionen Menschen die Auswirkungen „Sandys“ zu spüren bekommen, schätzte der Energieversorger National Grid.
Die Menschen in den betroffenen Bundesstaaten deckten sich mit Vorräten ein. Knapp wurden Wasserflaschen, Lebensmittel in Dosen, Taschenlampen und Batterien. Das Zentrum der Hauptstadt Washington glich am Morgen (Ortszeit) einer Geisterstadt. Die Behörden riefen alle Bewohner auf, ab 14 Uhr Ortszeit möglichst nicht mehr die Häuser zu verlassen.
Wetterexperten befürchten, dass der Hurrikan im Nordosten der USA auf einen Wintersturm stoßen könnte. Diese Kombination könnte zum schwersten Unwetter an der Ostküste seit 1991 führen. Damals kamen bei Hurrikan „Bob“ vier Menschen ums Leben, von South Carolina im Süden bis Maine im Norden entstanden hohe Schäden.
Die Schiffe der Navy, die im Hafen Norfolk im Bundesstaat Virginia liegen, wurden verlegt. 61 000 Mitglieder der Nationalgarde waren in Katastrophen-Bereitschaft. Vielerorts sicherten Menschen ihre Häuser mit Brettern und Sandsäcken.
In der Karibik starben wegen „Sandy“ nach jüngsten Angaben 67 Menschen, davon allein in Haiti 51. Eine gute Nachricht gab es indessen: Sechs in der Karibik vermisste Franzosen sind wohlauf. Nach Angaben der Rettungskräfte waren die vier Männer und zwei Frauen während des Unwetters nicht wie vermutet in einem Boot unterwegs. Sie kehrten demnach erst am Montag von einem Ausflug auf eine Nachbarinsel nach Martinique zurück. Zu diesem Zeitpunkt war „Sandy“ schon vorbeigezogen.