Hygienemängel in der Gastronomie: Das Gesundheitszeugnis gibt es ganz ohne Arztbesuch
Wer mit Lebensmitteln arbeiten will, braucht einen Nachweis. Ein Arzt untersucht die Anwärter nicht. Stattdessen wird ein kurzer Film gezeigt.
Düsseldorf. Nach der Brechdurchfall-Epidemie in Ostdeutschland geht es in Kantinen und Restaurants weiter wie bisher. Die Erkrankung von 11 000 Menschen hatte auch zu Spekulationen über mögliche Hygienemängel geführt.
Erst später wurde die Epidemie auf mit Noroviren verseuchte Erdbeeren aus China zurückgeführt — die Ursache hänge mit der Herstellung dort, nicht mit ihrer Verarbeitung in Deutschland zusammen, hatten staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen schließlich ergeben.
Dennoch wurde bundesweit auch über die Hygiene diskutiert — Konsequenzen für Arbeitsabläufe in der Küche oder für Hygienevorschriften gab es bisher aber nicht. Voraussetzung, um in der Gastronomie mit Lebensmitteln arbeiten zu dürfen, ist weiterhin ein Gesundheitszeugnis. Doch wie leicht bekommt man dieses ausgestellt? Sehr leicht. Unsere Zeitung hat es getestet.
„Sie brauchen Ihren Personalausweis und, ganz wichtig, 25 Euro“, erklärt die Mitarbeiterin des Düsseldorfer Gesundheitsamtes am Telefon. Für den Termin sollten zwei Stunden Zeit eingeplant werden, fügt sie hinzu. Wie sich herausstellt: eine Stunde davon allein fürs Warten. „Was ist denn mit einem Attest vom Arzt?“, fragt die Unwissende am anderen Ende der Leitung. Die Antwort: „Brauchen Sie nicht mehr.“
Bis 2001 musste ein Amtsarzt potenzielle Gastronomiemitarbeiter untersuchen. Heute verläuft die Prüfung für das Gesundheitszeugnis vollkommen ohne ärztlichen Blick ab. Ein Infozettel mit dem Hinweis „Bitte sorgfältig durchlesen“ und ein 20-minütiger Film — so sieht die Belehrung in Düsseldorf aus.
Bevor der Film abgespielt wird, weist der Mitarbeiter im Gesundheitsamt die rund 30 Teilnehmer auf etwas Entscheidendes hin: „Der Film ist suboptimal. Vieles stimmt nicht.“ Fragende Blicke im Publikum. „Ich werde ihn zwischendurch anhalten und Dinge ergänzen.“
Zumindest einem Teilnehmer werden aber auch die zusätzlichen Erläuterungen nichts bringen. In gebrochenem Deutsch fragt er den Mann vom Amt, was auf dem Infozettel steht — er verstehe das nicht. „Dass Sie kein Deutsch können, hätten Sie bei der Anmeldung sagen müssen. Jetzt setzen Sie sich, und schauen Sie einfach zu.“
Dann folgt der Film, Szenen aus einer Kantine — Köche wühlen ohne Handschuhe mit dichter Armbehaarung in großen Bottichen. Erster Stopp. „So macht man das natürlich nicht. Arme rasieren oder Handschuhe tragen“, erklärt der Mitarbeiter. „Sollte man denn nicht immer Handschuhe anziehen?“, fragt jemand aus der Runde. „Vorschrift ist das nicht“, so die Antwort.
Weiter geht’s: Auf der Leinwand erscheint ein Mann in Kochjacke, der von seiner Durchfallerkrankung erzählt. Erneute Pause. „Auch hier im Raum trägt etwa jeder Vierte Keime in sich und weiß es nicht einmal. Krankheitserreger können noch über Jahre ausgeschieden werden.“
Der Sprecher im Video erklärt: „Die Handhygiene ist das wichtigste Mittel gegen Erreger. Gründlich waschen.“ „Ach, wirklich?“, murmelt eine Frau und grinst. In bunter Schrift fliegen mögliche Krankheiten durchs Bild: Typhus, Cholera, Salmonellen-Infektion, Hepatitis A. Symptome werden nur verallgemeinert angerissen: Übelkeit, Fieber, Durchfall. „Wer mehr wissen will, kann im Internet auf der Seite des Robert-Koch-Instituts nachschauen“, ruft der Mitarbeiter während der Szene.
Mit Unterbrechungen dauert das Prozedere 50 Minuten. Einer nach dem anderen bekommt ein blaues Heftchen in die Hand gedrückt: das Gesundheitszeugnis. Schon am nächsten Tag kann die erste Mahlzeit zubereitet werden.