Interview: Mit Sinn für die Glücksmomente
Christiane Hörbiger wird 70 Jahre alt und erschreckt ihre Zuschauer ausnahmsweise als gemeine alte Dame.
Frau Hörbiger, die ARD zeigt Sie an Ihrem 70. Geburtstag in dem Dürrenmatt-Klassiker "Der Besuch der alten Dame". Für manche reifere Kollegin ist es ein böses Signal, wenn ihr gerade diese Rolle angeboten wird: "Ach, ist es schon so weit?" Für Sie nicht?
Christiane Hörbiger: Nein. Schon weil ich es praktisch selber vorgeschlagen habe. So etwas wie Dürrenmatts Alte Dame würde ich gern spielen, habe ich zu unsere Produzentin Regina Ziegler gesagt. Und sie fragte nur zurück: warum nicht gleich die ’Alte Dame’?
Keine gerade sympathische Rolle, diese gnadenlose Rächerin. Könnte sie das Publikum nicht erschrecken?
Hörbiger: Das hoffe ich sogar. Und ich halte die Leute für intelligent genug, um mich auch mal so sehen zu wollen.
Aber spielen Sie nicht in erster Linie Sympathieträgerinnen?
Hörbiger: Am Theater habe ich immer schon auch die bösen, hässlichen Frauen gespielt. Im Fernsehen ist das etwas anderes. Man muss sich im Klaren sein: Zunächst mal bekommt man seinen Platz im Wohnzimmer, wenn man Freude bringt und Emotionen, die andere nachvollziehen können, mal melodramatisch, mal mehr komödiantisch.
Sie haben mal gesagt, Ihr Ehrgeiz sei, das Altsein nicht zu grauslig zu zeigen.
Hörbiger: Noch vor zwei Jahren war es mehr das Pfeifen im Wald, wenn ich leichthin über das Alter sprach. Inzwischen weiß ich, was für eine Kostbarkeit jeder Tag im Leben ist, der Sonnenaufgang, das Aufwachen, das Gefühl, gut geschlafen zu haben. Glücksmomente! Man muss sie mit wachsenden Jahren umso intensiver wahrnehmen.
Wer Sie über die Jahre beobachtet, muss den Eindruck gewinnen, dass Sie immer entspannter, gelassener, souveräner und auch schöner geworden sind.
Hörbiger: Oh, danke schön! Aber bleiben wir mal beim Souveränen. Dazu trägt viel das Gefühl bei, als Wienerin in diesem Land zwar Gast zu sein, aber in Hamburg oder Berlin oder sonst wo so freundlich begrüßt zu werden, als sei auch dies hier meine Heimat. Das stärkt das Selbstbewusstsein.
Ihre Eltern hätten Sie ja gern als Zuckerbäckerin gesehen. Hätten Sie sich das je vorstellen können?
Hörbiger: Nein, nicht Zuckerbäckerin. Für mich stand mit sechzehn fest, dass ich nichts als Schauspielerin werden würde. Aber wenn man vor großen Theater-Premieren nur noch ein Stück schlotternde Angst war, da habe ich schon gedacht: Wäre ich jetzt doch nur Parfümverkäuferin irgendwo in einem Warenhaus!
Vom Theater haben sie sich weitgehend verabschiedet?
Hörbiger: Man soll nie "Nie" sagen, und es hat mir schon geschmeichelt, dass mir in meinen hohen Jahren gerade Peter Zadek eine Rolle angeboten hat. Aber es muss nicht sein.
Sie filmen auch nicht mehr ganz so viel?
Hörbiger: Ich gehe nach dem Prinzip vor: Drehbuch geht vor Drehort. Mit einer Fernreise lockt man mich nicht in irgendein Projekt.
Haben Sie ein Motto, dem Sie heute gern folgen?
Hörbiger: Das Beste ist gerade gut genug.