Jubiläum: Die Paten helfen mit Freude

Vor 50 Jahren wurde die Kindernothilfe gegründet. Heute werden 550 000 Kinder betreut.

Duisburg. "Die Kindernothilfe und ich, wir sind quasi verheiratet." Die blauen Augen von Robert Roßkothen blitzen, wenn er seine außergewöhnliche Beziehung zum evangelischen Kinderhilfswerk beschreibt, das in diesem Jahr 50. Geburtstag feiert.

Der 73-jährige pensionierte Landwirt aus Uedem im Kreis Kleve lehnt sich in seinem Lieblingsohrensessel zurück und witzelt: "Und diese Ehe hält schon verdammt lange. Fast so lange wie die mit meiner Thekla."

Im Oktober 1965 hat Robert Roßkothen die erste Patenschaft für den damals neunjährigen Bathala Jayanna aus Indien übernommen. Vergilbte Luftpostbriefe und Fotos des Waisenjungen mit den großen braunen Augen hat der gebürtige Mülheimer in einem Karton vor sich liegen.

Bathala sei mittlerweile 52 Jahre alt und könne dank der von Uedem aus finanzierten Ausbildung seine eigene Familie ernähren, freut sich Roßkothen auch noch 44 Jahre später über die Hilfe im fernen Indien.

Roßkothen war einer der ersten Paten der noch jungen Kindernothilfe, die 1959 in Duisburg ehrenamtlich am Küchentisch der Familie Bornmann gegründet wurde. Die Idee der Kinderpatenschaften hatte der Missionar Adolf Kölle beigesteuert. In den ersten zwei Jahren schlossen sich 250 Paten der Kindernothilfe an.

Eine Fernsehsendung Ostern 1965 brachte Roßkothen dazu mitzumachen. Seitdem haben der 73-Jährige und seine Frau acht Patenkinder in Indien unterstützt. Im Moment schreibt uns die neunjährige Skrilekha jährlich einen Brief, erzählt der Ex-Landwirt.

Auch Ehefrau Thekla hat es all die Jahre nicht als Opfer empfunden, für die Zweitkinder in der Ferne 30 Mark - heute 30 Euro - monatlich zu überweisen: "Es ist doch schön, wenn man helfen kann. Leider konnten wir nie selbst nach Indien fliegen und unsere Patenkinder vor Ort besuchen. Die Arbeit auf dem Bauernhof ließ das nicht zu", so die Mutter von drei Kindern.

Eine Mark pro Tag, so lautete damals die Rechnung der Kindernothilfe. "Das war in den 60ern verdammt viel Geld, auch wenn es uns gut ging", sagt Robert Roßkothen und zeigt stolz auf die mit Blumen und Tropenpflanzen bemalten Briefe seiner Patenkinder. Wir haben stets mehr zurückbekommen als wir gegeben haben.

In Ratingen-Lintorf ist ein weiterer Pionier der Kindernothilfe zu Hause. Lüder Lüers sitzt vor einer Schrankvitrine mit zahlreichen Erinnerungsstücken aus Indien, Äthiopien und Lateinamerika. 1960 lernte Lüers in Duisburg den Mitbegründer der Hilfsorganisation, Karl Bornmann, kennen. Zunächst nur Pate eines indischen Kindes, erweiterte der gelernte Garten- und Landschaftsarchitekt schnell seine ehrenamtliche und finanzielle Hilfe.

Aus 30 Mark wurden 50 Mark pro Monat. Aus der Patenschaft wurde die direkte Mitarbeit bei der Kindernothilfe. "1965 bin ich mit meiner jungen Frau Ruth nach Südindien gefahren, um dort fast acht Jahre lang die Kindernothilfe vor Ort aufzubauen", so der heute 82-Jährige.

Die Hilfsorganisation entwickelte schon früh die Idee, partnerschaftlich mit den Kirchen vor Ort in der Dritten Welt zu helfen. Der Name Lüers zeuge davon noch heute in vielen Teilen Südindiens, sagt Vorstandschef Jürgen Thiesbonenkamp. Nach den Strapazen in Indien kehrte Lüers mit seiner kleinen Familie - inzwischen waren zwei Söhne geboren - 1973 nach Duisburg zurück. Dort übernahm er die Geschäftsführung der Kindernothilfe und wechselte später in den Vorstand. Sein Schwerpunkt: Auslandsarbeit.

"Das Elend während einer Reise durch die äthiopischen Hungerkatastrophengebiete im Jahr 1973 werde ich nie vergessen. Bis zu 30 Menschen starben dort täglich an Unterernährung." Der Bericht darüber hatte zu einem Riesenecho in Deutschland geführt. "Tausende neuer Paten haben sich daraufhin gemeldet", erinnert sich Lüers.

Bei der Gala zum 50-jährigen Bestehen sitzt der 82-Jährige morgen in der Duisburger Mercatorhalle ganz vorne. "Mir wurde ein Platz in der ersten Reihe reserviert, weil Moderator Dieter Kürten mir während des Festaktes wohl eine Frage stellen will." Mehr wurde allerdings nicht verraten.