Katastrophe in Riga: Suche nach Überlebenden geht weiter
Riga (dpa) - Mit jeder Minute schwindet die Hoffnung in Riga: Nach dem Dacheinsturz in einem Einkaufszentrum mit 54 Toten sinkt die Chance, Überlebende zu finden. Sie sei „praktisch gleich Null“, sagte der Leiter des medizinischen Notfalldiensts.
Dennoch suchten die Rettungskräfte unermüdlich weiter. Am Sonntagabend wurden noch immer sieben Menschen vermisst. Mehr als 30 sind bei dem Drama am Donnerstag verletzt worden. In Lettlandwurde eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen.
Zuletzt hatten Helfer in der Nacht zum Freitag Verletzte aus den Trümmern gezogen. Doch die Rettungskräfte gaben nicht auf. Am Sonntag brachten sie mit Baggern und anderem schwerem Gerät mehrere noch stehende Gebäudeteile kontrolliert zum Einsturz. Schichtweise wurde die bis zu vier Meter dicke Trümmerdecke abtragen, um die Gefahr für die Helfer zu verringern. Wegen Einsturzgefahr hatten die Behörden am Samstagabend zeitweilig einen Stopp der Rettungsarbeiten angeordnet. In der Nacht zum Sonntag prüften Experten die Gebäudestatik.
Die Unglücksursache stand auch drei Tage nach dem schwersten Unglück in der Geschichte Lettlands seit 1991 nicht fest. Nach Angaben von Innenminister Rihards Kozlovskis gibt es Hinweise, dass gegen Bauvorschriften verstoßen wurde. Der lettische Polizeichef nannte drei mögliche Ursachen: Entweder sei der 2011 eröffnete Supermarkt falsch geplant worden, oder Baustruktur und Statik seien nicht in Ordnung gewesen. Auch Bauarbeiten auf dem Gebäude könnten die Katastrophe verursacht haben.
Die Behörden veröffentlichten am Wochenende eine Namensliste der Opfer. Noch immer wurden 19 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. Unterdessen versammelten sich am Unglücksort erneut Angehörige und Menschen, die mit Blumen oder Kerzen ihre Trauer ausdrückten und sich Trost spendeten. „Solange es noch einen Funken Hoffnung gibt, hoffe ich und werde auch den Menschen weiter helfen“, sagte der 16-jährige Helfer Vladislavs Grineviks.
„Jeder in meiner Familie fühlt den Schmerz, die Trauer und die Wut, mit der nun jede Familie kämpft, die Opfer zu beklagen hat“, sagte Marcis Liors Skadmanis dem Nachrichtenportal Delfi. Bei dem Unglück starben sein Vater und seine Schwester.
Sozialarbeiter sagten, von dem Unglück seien auch 32 Kinder und Jugendliche betroffen, deren Eltern getötet oder verletzt wurden. Alle Kinder würden von Angehörigen oder Freunden betreut und sollten auch psychologisch und mit materieller Hilfe versorgt werden, berichtete die lettische Nachrichtenagentur LETA unter Berufung auf die Sozialbehörde. „Das Unglück ist auch für uns ein Großeinsatz“, sagte Marija Abeltina, die Leiterin des psychologischen Krisenzentrums. Viele Angehörige suchten in ihrer Trauer Hilfe und wenden sich an die Psychologen an der Unglücksstelle. Andere fragen, wie sie betroffenen Freuden und Bekannten helfen können oder die Katastrophe am besten ihren Kindern erklären sollen, erklärte sie.
In Lettland soll bis einschließlich Montag eine dreitägige Staatstrauer herrschen. An allen öffentlichen Gebäuden wurde die Nationalflagge mit Trauerflor auf halbmast gesetzt. Eishockeyspiele, Konzerte und Theatervorstellungen wurden abgesagt. In lettischen Botschaften im Ausland liegen Kondolenzbücher aus.