Katastrophe: Jahrhundert-Flut am Mississippi

Hochwasser bringt Zehntausende um ihre Existenz. Experten schätzen die Schäden höher als beim Hurrican „Katrina“.

Washington. Sie nennen ihn liebevoll den "Ol’ Man River", sie haben ihm Romane geschrieben, Lieder gesungen.

Doch der Mississippi, zweitlängster Strom der USA, ist nach tagelangen Regenfällen, Sturm und Überschwemmungen für Millionen Menschen an seinen Ufern zur tödlichen Gefahr geworden.

In den Bundesstaaten Iowa und Illlinois brachen Dutzende von Dämmen unter dem Druck des steigenden Wasserspiegels. Angehörige der Nationalgarde und sogar Gefängnisinsassen wurden mobilisiert, um Deiche mit Sandsäcken zu verstärken. Zehntausende Menschen wurden zwangsevakuiert und sind nun obdachlos.

In Iowa, das zuerst von den Überflutungen getroffen wurde, mussten mehr als 36000 Menschen ihre Häuser verlassen. Fünf ertranken in dem Hochwasser. In Illinois brachen am Mittwoch Vormittag bei der Stadt Gulfport binnen weniger Stunden zwei Deiche.


"Das ist ein trauriger Tag", sagte Sheriff John Jefferson aus dem betroffenen Bezirk Hancock. "Wir sind Zeugen einer großen Tragödie."

Eines der Opfer ist die 83-jährige Gulfporterin Lois Russell. Fast 60Jahre lebte sie in demselben Bauernhaus - bis die Flut kam. "Ich fühle mich restlos ausgeliefert", schluchzt die Rentnerin.

Am Dienstag erreichten das Wasser ihr Haus - jetzt steht sie zwei Kilometer entfernt auf einer der letzten trockenen Straßen. "Alles, wofür ich mein Leben lang gearbeitet habe, ist zerstört."

Ähnlich geht es, ein paar Dutzend Meilen weiter nördlich, Julie Kiene in Cedar Rapids, Iowa. Sie steht mit Gummistiefeln und Handschuhen auf der Terrasse ihres kleinen Hauses.

Um sie herum, in Kartons, der Besitz, den sie retten konnte. Bücher, Bettwäsche, Schuhe. "Wie ich das alles in Sicherheit bringen soll, weiß ich auch nicht."

Im gesamten Katastrophengebiet des Mittleren Westens sind ungefähr elf Millionen Menschen von den Fluten bedroht. Viele Betroffene haben keine Versicherung gegen die Hochwasserfolgen.

Experten fürchten derweil, dass der Gesamtschaden größer sein könnte als beim Hurrican "Katrina".

Die Flut, die diesem Sturm folgte, vernichtete vor drei Jahren die Metropole New Orleans. Sie ist bis heute nicht wieder aufgebaut.