Kein Anschluss unter 110: Wenn Notrufe verloren gehen

In NRW können die Leitstellen der Polizei Zehntausende von Telefonaten nicht entgegennehmen. Eine neue Technik soll helfen.

Düsseldorf. Stellen Sie sich vor, Sie sind Zeuge eines schweren Unfalls auf der Autobahn. Sie rufen unter 110 die Polizei an, lassen klingeln. Keiner geht ran. Sie legen wieder auf und regen sich auf — ihr Anruf ist „verloren gegangen“. Das ist kein Einzelfall. Rund zehn Prozent solcher Notrufe konnten im vergangenen Jahr etwa in der Düsseldorfer Polizeileitstelle nicht angenommen werden.

Ähnliches zeigt der Blick ins Bergische Land: Von 162 321 Notrufen konnte das Polizeipräsidium Wuppertal 7662 Anrufe nicht annehmen. Und in Köln sind im Jahr 2012 von 419 773 Notrufen 43 612 Anrufe „verloren gegangen“. Ein Notruf gilt dann als „verloren“, wenn er nach mehr als fünf Sekunden Wartezeit vom Anrufer beendet wird, ohne dass der Anruf durch die entsprechende Leitstelle angenommen wurde.

Wolfgang Beus ist Sprecher des Innenministeriums und erklärt: „Die Statistiken sind erklärbar. Verloren gegangen ist deshalb der falsche Begriff. Es ist ein Notruf, der nicht entgegengenommen wurde. “ Bei herausragenden Vorkommnissen könne es durchaus zu einer Überlastung der Anschlüsse kommen. Wie beispielsweise eben bei jenem Verkehrsunfall, nach dem bis zu dreißig Menschen die 110 wählen. Oder Fälle, in denen der Anrufer auflegt, weil er festgestellt hat, dass ein anderer Zeuge die Polizei bereits alarmiert hat. Alle diese Telefonate fließen in die Statistik ein.

Andreas Czogalla, Pressesprecher der Polizei Düsseldorf, betont: „Einige legen sofort auf, einige verwählen sich.“ Abgebrochene Anrufe könnten viele Gründe haben. „Die Polizei kommt, wo Hilfe und Not erforderlich sind. Wir gehen immer an den Apparat, wir kümmern uns“, erklärt Czogalla. Ihm sei „kein einziger Fall bekannt, bei dem ein wirklicher Notfall nicht bei der Polizei gelandet ist.“

Im Dezember 2015 könnten sich die Statistiken bessern. Bis dahin sollen die Polizeipräsidien in NRW mit einer modernisierten Technik ausgestattet sein. Sie ermöglicht eine Weiterleitung von Notrufen an Präsidien in anderen Städten. Ein Notruf in Düsseldorf könnte dann zuerst in Wuppertal landen.