Kein Exekutionsaufschub: Todesspritze für Heckenschützen
Washington. Vor sieben Jahren nahm Marion Lewis Abschiedvon seiner Tochter Lori - erschossen aus dem Hinterhalt, als sie aneiner Tankstelle bei Washington das Auto ihres Arbeitgebers mit einemStaubsauger säuberte.
Sie war 25, eine lebensfrohe junge Mutter. DieKugel traf sie in den Rücken.
Am Dienstag hielt sich der immer noch von Gram gezeichnete Vater inGreensville (Bundesstaat Virginia) auf. Hier sollte am Abend (21.00 UhrOrtszeit, 03.00 Uhr MEZ am Mittwochmorgen) der Mörder seiner Tochterhingerichtet werden: John Allen Muhammad, besser bekannt als der„Heckenschütze von Washington“. Das Oberste Gericht der USA hatte erst am Montag einen Antrag der Verteidigung auf einen Exekutionsaufschub ab.
Mehr als drei Wochen lang hatte Muhammad, damals 41, im Herbst 2002zusammen mit einem erst 17-jährigen Komplizen die Bevölkerung imGroßraum Washington in Angst und Schrecken versetzt. Neben Lori Lewisfielen in der Region 15 weitere Menschen dem „Sniper“-Duo zum Opfer,insgesamt zehn starben, sechs kamen mit Verletzungen davon.
Wie die Öffentlichkeit später erfuhr, schossen Muhammad und Lee BoydMalvo willkürlich aus ihrem Auto heraus. Das „törnte“ sie an. In derBevölkerung grassierte die Furcht, viele Menschen wagten sich nichtmehr auf die Straße, niemand fühlte sich mehr sicher.
Muhammad wurde 2004 wegen eines Mordes zum Tode verurteilt,stellvertretend für alle anderen Bluttaten: Schon vor den Attacken vonWashington hatte er zusammen mit Malvo, eine Blutspur mit mindestenssechs Toten durch die Bundesstaaten Washington, Arizona, Alabama undLouisiana gezogen. Malvo, der in Muhammad eine Vaterfigur sah, erhieltwegen seines jugendlichen Alters eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Lewis kam nach Greensville, um Muhammad in der Todeskammer sterben zusehen, angeschnallt auf einer Bahre mit zwei Kanülen im Arm, durch dieder „Giftcocktail“ fließen sollte. „Ich will sehen, was ich sehenmusste“, zitierte die „Washington Post“ den Vater. „Ich musste meinkleines Mädchen im Sarg liegen sehen. Jetzt will ich sehen, wie erseinen letzten Atemzug tut.“
Auch andere Angehörige der Opfer hatten sich als Zeugen der Hinrichtungangesagt. Muhammad hatte vergeblich versucht, sie zu verhindern. Nach der Absage des Gerichts blieb ihm nurnoch ein Gnadengesuch bei Virginias Gouverneur Timothy Kaine.
Die Terrorserie in der Washingtoner Region hatte am 2. Oktoberbegonnen, als ein 55-Jähriger vor einem Supermarkt erschossen wurde.Danach ging es Schlag auf Schlag. Binnen 27 Stunden starben ein 39-Jähriger beim Rasenmähen, ein 54-Jähriger beim Benzinpumpen an einerTankstelle und eine 34-Jährige auf einer Bank vor einer Ladenzeile.
Dann war Lori Lewis an der Reihe, danach ein 72-Jähriger, der eineStraße überqueren wollte. Zwischen dem 9. und 22. Oktober gab es vierweitere Tote, darunter ein junges Ehepaar, das händchenhaltend auseinem Restaurant kam.
Die Bundespolizei FBI kam den Heckenschützen schließlich durchFingerabdrücke auf Briefen mit Lösegeld-Forderungen auf die Spur: Die„Sniper“ waren in ihrer Selbstherrlichkeit zu leichtsinnig geworden. Am24. Oktober wurden Muhammad und Malvo geschnappt, als sie auf einemAutobahn-Rastplatz in ihrem Fahrzeug schliefen. Sie hatten es in eineTötungsmaschine umfunktioniert: Geschossen wurde durch ein Loch imKofferraum.