Kindsmörderin darf vorerst in Deutschland bleiben

Stuttgart (dpa) - Eine wegen Mordes an ihrer kleinen Tochter zu lebenslanger Haft verurteilte Kroatin wird vorerst nicht aus Deutschland ausgewiesen.

Sie müsse wegen ihrer Haftstrafe ohnehin noch „viele Jahre“ im Gefängnis bleiben, erklärte Richter Eckhard Proske vom Verwaltungsgerichts Stuttgart am Freitag. Bis die Frau dann abgeschoben werden könne, ergebe sich wegen des Beitritts Kroatiens zur EU eine neue Rechtslage. Die Prozessteilnehmer einigten sich darauf, das Verfahren zunächst ruhen zu lassen.

Bevor diese Lösung gefunden wurde, war die 36-Jährige von ihren Emotionen überwältigt worden. „Ich habe einfach Angst, nach Kroatien zu gehen“, hatte sie zu Beginn der Verhandlung erklärt und war in Tränen ausgebrochen. Dort werde der Familie ein noch größerer Wert beigemessen als hierzulande. Sie befürchte bei einer Ausweisung wegen ihrer Tat Nachteile in ihrer Heimat. Im Dezember 2008 hatte sie ihr vier Jahre altes Kind von einer Brücke aus in den Neckar geworfen. Als Grund hatte sie Überforderung angegeben. Das Mädchen ertrank, die Frau wurde im Mai 2009 wegen heimtückischen Mordes zu der lebenslangen Haft verurteilt. Ende Januar 2010 verfügte das Regierungspräsidium Stuttgart ihre Ausweisung aus Deutschland.

„Eine Abschiebung hätte einen sehr kurzen Halbwert“, erklärte Richter Proske mit Blick auf den geplanten EU-Beitritt Kroatiens in 2013. Damit würden für die Frau, wie für alle Bürger der EU und der Türkei, deutlich höhere Hürden bei der Ausweisung gelten. Bisher war die Argumentation des Regierungspräsidiums, dass es bei der Frau eine Wiederholungsgefahr gebe und dass eine Ausweisung der „Generalprävention“ in Deutschland diene. Dieses Argument kann juristisch auf EU-Ausländer nicht angewendet werden. Die Anwältin der Frau hatte mit dem Verweis auf kaum vorhandene soziale Kontakte und auf eine hohe Selbstmordgefahr gegen die Abschiebung argumentiert.

Für die Täterin greift die Regel, dass eine Abschiebung erst dann vorgenommen wird, wenn ein wesentlicher Teil der Haftstrafe abgesessen ist. „Wenn sie abgeschoben wird, dann verzichtet der deutsche Staat auf den Rest der Vollstreckung“, erklärte Richter Proske. Auch im Heimatland wird dann meist die Vollstreckung der Reststrafe ausgesetzt, erläuterte ein Vertreter des für die Ausweisung zuständigen Regierungspräsidiums Stuttgart. Sollte ein ausgewiesener Ausländer jedoch nach Deutschland zurückkehren, muss er auch die Reststrafe absitzen.