Klimawandel: Das versinkende Paradies
Der weltweite Anstieg der Ozeane droht die Südsee-Inselstaaten wie Tuvalu und Kiribati zu überfluten. Regierungen bereiten die komplette Umsiedlung der Einwohner vor.
Wellington/Düsseldorf. "Besuchen Sie Europa, solange es noch steht", sang die Band Geier Sturzflug einst mit Blick auf einen drohenden Atomkrieg. Heute, zwanzig Jahre später, zittert die Menschheit weniger vor der Bombe als vor dem Klimawandel - und der Titel von einst müsste umgeschrieben werden. "Besuchen Sie die Südsee, solange es noch geht" - oder besser gesagt: die tropischen Inselparadiese von Staaten wie Tuvalu oder Kiribati. Denn deren flache Koralleninseln drohen infolge der globalen Erwärmung vom Ozean geschluckt zu werden - und hunderttausende Südsee-Insulanern fürchten die Heimatlosigkeit.
Anote Tong, Präsident der Republik Kiribati, fasste jüngst das Schicksal seines Landes bei einer Konferenz im neuseeländischen Wellington in unverblümte Worte: "Wir müssen uns auf den Tag vorbereiten, an dem wir kein eigenes Land mehr haben." Von den 33 Inseln seines Landes ragen 32 nur knapp vier Meter aus dem Ozean. In 50 bis 60 Jahren, fürchet Tong, könnte sein Land im Pazifik versunken sein. Deshalb plant er schon jetzt den Exodus der gut 100000I-Kiribati, wie sich die Einwohner der Inselgruppe nenen: Das Volk solle ab sofort nach Neuseeland auswandern. Bei der dortigen Regierung bat er um verstärkte Aufnahme.
Beileibe kein Panik-Szenario, sondern eine realistische Bedrohung, erklärt Martin Visbeck, Professor am Geomar-Institut in Kiel. Durch die Erwärmung der Ozeane und das Abschmelzen polarer Landeismassen werde der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um bis zu einen Meter ansteigen - weltweit. Wie hoch das Wasser des Pazifik bis dahin ansteigen wird, sei seriös kaum zu berechnen. Aber: "Es ist in jedem Fall davon auszugehen, dass die Lebensbedingungen auf den Südseeinseln dramatisch unwirtlicher werden."
Die ersten Vorboten der schleichenden Katastrophe sind jetzt schon spürbar - vor allem im idyllischen Inselparadies von Tuvalu. Keins der neun malerischen Korallen-Atolle des Kleinstaates ragt mehr als drei Meter aus dem Ozean. Und die 12000 Einwohner der Inselgruppe haben in den letzten Jahren immer heftiger mit der Gewalt des Meeres zu kämpfen. Überschwemmungen nehmen zu, und auch von unten quillt das Salzwasser vermehrt durch den porösen Inselboden an die Oberfläche. Ackerland wird so durch Versalzung vernichtet, Trinkwasser ungenießbar. Schon lange vor der Überflutung, vielleicht schon in 30 Jahren, wird das Paradies unbewohnbar sein.
Die Regierungen von Tuvalu, Kiribati und anderen Inselstaaten hoffen daher vor allem auf Neuseeland und Australien, die großen Nachbarn in der Region, um im Fall der finalen Flut die Flüchtlinge der sinkenden Inseln aufzunehmen. Doch beide Staaten reagieren zurückhaltend auf entsprechende Appelle. Neuseeland ist lediglich bereit, 75 gut ausgebildete Einwanderer aus Tuvalu pro Jahr aufzunehmen. "Eine irgendwie geartete Aufnahmeregelung von pazifischen Klimaflüchtlingen gibt es nicht", verbreitet das neuseeländische Außenministerium auf seiner Homepage. "Mit keinem Staat."