Torero José Tomás: Spanische Helden-Dämmerung
Stierkampf: Der Torero José Tomás wird in Spanien als „Lichtgestalt“ gefeiert. Doch die Kritik an dem Spektakel wächst.
Madrid. 25000 Menschen stehen auf den Sitzen, brüllen immer wieder "Torero, Torero, Torero". Sie lassen die "Kathedrale", wie Madrids mächtige Stierkampfarena genannt wird, vibrieren. Ihr Held José Tomás hat gerade seinem zweiten Stier den Degen in den Nacken gerammt.
Der Koloss bricht vor den Füßen seines Gegners zusammen. Die Menschen, die auf dem Schwarzmarkt bis zu 4000 Euro für die Todesshow gezahlt haben, toben begeistert. Auch König Juan Carlos applaudiert, seine Tochter Elena schwenkt ein weißes Taschentuch.
Auch Torero Tomás wankt. Dreimal hat ihn der 500 Kilo schwere Bulle während des Kampfes, der "corrida", erwischt. Das Gesicht ist blutüberströmt, sein feierlicher goldgeschmückter Anzug von oben bis unten besudelt. Unter brausendem Beifall schleppt sich der Stiertöter zu den Sanitätern. "Drei Verletzungen durch Stierhörner", diagnostizieren die Ärzte: "20 Zentimeter lang am Oberschenkel, fünf Zentimeter am Knie und eine weitere Wunde am Fuß." Tomás wird noch in der Arena operiert.
Der 32-Jährige wird verehrt wie kein anderer Stierkämpfer der vergangenen Jahrzehnte. Sogar die seriösen Medien, die sonst gerne für Menschenrechte und Tierschutz kämpfen, feiern den Torero. Als "Messias" feiert ihn das konservative Blatt "El Mundo", die linksliberale "El Pais" sieht den "Helden im Himmel".
Dabei gilt José Tomás als Rebell unter den Toreros. Anders als die meisten seiner Kollegen meidet er die Klatschpresse. Vor den Kämpfen geht er auch nicht in die für die Stierkämpfer eingerichtete Kapelle. Er wartet draußen auf dem Flur, bis seine Gehilfen ihr Gebet gesprochen haben. Tomás, der sich von 2002 bis 2007 schon mal vom Stierkampf zurückgezogen hatte, lehnt es auch ab, einen getöteten Stier symbolisch dem König darzubringen, was ihm den Titel "republikanischer Torero" einbrachte.
Doch auch der Star-Torero kann nicht verhindern, dass die Proteste gegen den Stierkampf zunehmen. Spaniens staatliches Fernsehen strahlt neuerdings keine Live-Übertragungen der blutigen Spektakel mehr aus. Immer häufiger demonstrieren Stierkampfgegner vor den Arenen gegen die "Misshandlung und Qual der Stiere". Das Interesse der Bevölkerung an den "fiestas" sinkt. Die populäre Sängerin Alaska zog sich jüngst für ein Protest-Plakat aus: "Man müsste jenen, die behaupten, dass die Stiere nicht leiden, Spieße in den Leib rammen."
Zugleich nimmt der politische Widerstand zu. In Spaniens reformfreudiger sozialdemokratischer Regierung wächst das Unbehagen über die öffentliche Massentötung von Stieren, die auf tausenden von Dorf- und Stadtfesten dran glauben müssen.
Im europäischen Parlament werben linke Parlamentarier "Für ein Europa ohne Stierkampf". Sie fordern, dass die EU die umstrittenen Stierkämpfe nicht länger indirekt fördert. Millionen Euro gehen an Spaniens Rinderzüchter, die auch Kampfbullen halten. Und deren einzige Bestimmung ist es, argumentieren die Tierschützer, zur Volksbelustigung getötet zu werden.