Knollenblätterpilz & Co Tödliche Unkenntnis: Wenn Pilzesammeln lebensgefährlich wird
Düsseldorf · Jedes Jahr sterben Menschen, weil sie hochgiftige Pilze wie den Knollenblätterpilz verzehrt haben. Ein Sachverständiger rät dazu, die Pilze begutachten zu lassen.
Seit der Regen im September und Oktober eingesetzt hat, sprießen die Pilze nur so aus den Waldböden. Zu den beliebtesten Pilzen gehören Steinpilze, Rotfußröhrlinge, Stockschwämmchen und Maronen. Letztere sind unter Fichten zu finden, der Steinpilz lebt unter anderem unter Fichten, Eichen und Buchen. Die Saison des ebenfalls beliebten Wiesenchampignons ist bereits vorbei. Doch zwischen Gaumenschmaus und Tod liegen oftmals nur eine falsche Entscheidung.
In der vergangenen Woche wurden gleich mehrere Menschen mit einer Pilzvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Eine 28-Jährige aus Kaarst starb an den Folgen der Vergiftung des Knollenblätterpilzes. Den grünen Knollenblätterpilz hat die deutsche Gesellschaft für Mykologie zum Pilz des Jahres 2019 gewählt. Nach deren Angaben können bereits 50 Gramm des Pilzes tödlich sein. Sein hitzebeständiges Gift schädigt die Leber und verursacht mehrfaches Organversagen. Im englischen Sprachraum wird der Pilz auch als deathcap, Todeskappe, bezeichnet. Die Beschwerden der Vergiftung setzen nach acht bis 24 Stunden ein. Auf Durchfall und Erbrechen folgen später Gelbsucht, Magen- und Darmblutungen. Im schlimmsten Fall tritt der Tod ein.
„So etwas passiert, wenn Menschen unbedarft in die Pilze gehen“, sagt der Remscheider Pilzsachverständige Frank Langer. „Man muss sehr vorsichtig sein und sollte seine Sammlung auf jeden Fall einem Fachmann vorlegen“, empfiehlt Langer. Eine Liste mit Sachverständigen in der Nähe kann man auf der Seite der deutschen Gesellschaft für Mykologie einsehen. Diese sind auch am Wochenende erreichbar. Bei Langer waren es bisher erst sieben Pilzsammler, die ihre Sammlung von ihm haben begutachten lassen. Er warnt eindringlich davor, nur Bilder in Büchern zu vergleichen oder eine App auf dem Smartphone zur Kontrolle zu benutzen. „Eine App kann nicht das Fachwissen eines Fachmanns ersetzen. Sie liefern teilweise falsche Ergebnisse. Ich halte solche Apps für lebensgefährlich“, warnt der Fachmann eindringlich.
Eine große Ähnlichkeit mit anderen Pilzen, wie sie den Knollenblätternpilzen nachgesagt wird, kann der Fachmann nicht feststellen. „Es ist mir ein Rätsel, wie man Pilze verwechseln kann. Das kann nur bei einer oberflächlichen Betrachtung passieren.“ Jeder Pilz hat ganz individuelle Merkmale, die ihn einzigartig machen.
Anfänger sollten auf Lamellenpilze verzichten
„Wichtige Kennzeichen des Knollenblätterpilzes sind unter anderem der genatterte Stiel, der an der Basis knollig verdickt ist mit einer lappigen Scheide um die Knolle herum. Außerdem hat er weiße freistehende Lamellen unter dem Hut“, erklärt Frank Langer. Der Hut kann farblich variieren: Gras- bis olivgrün, oft mit gelblichem oder bronzefarbenen Einschlag. Es gibt sogar eine genauso tödliche rein weiße Variante. Um eine Verwechselung mit Champignons oder Täublingen auszuschließen, hat Langer eine „goldene Regel“ parat: „Anfänger sollten keine Lamellenpilze sammeln!“ Röhrenpilze, wie zum Beispiel der Steinpilz, hätten keine tödlichen Doppelgänger.
Die namensgebende Knolle des Knollenblätterpilzes versteckt sich in der Erde. Um die knollige Basis zu identifizieren, rät Langer dazu, Pilze nicht abzuschneiden, sondern gefühlvoll aus dem Boden herauszudrehen. Ein weiteres Merkmal ist der Geruch. „In jungem Zustand riecht der Knollenblätterpilz leicht nach Honig, später eher nah Aas“, beschreibt der Pilzexperte. Dass es trotz aller Warnungen jedes Jahr zu tödlichen Vergiftungen kommt, wundert den Remscheider nicht. „Im Moment ist es ein Hype, in die Pilze zu gehen. Es gibt schon Facebook-Gruppen dazu“, erzählt Langer. „Und je mehr Menschen unbedarft Pilze sammeln, umso mehr Vergiftungen gibt es.“ Eine Begutachtung durch Pilzexperten kann Leben retten.
Bei Vergiftungsanzeichen bietet die Giftnotrufzentrale Bonn eine für Laien kostenlose Auskunft zu jeglichen Vergiftungen rund um die Uhr an. Die Zentrale ist eine von acht Giftnotrufzentralen Deutschlands. Den Angaben des Jahresberichts nach – der aktuellste ist von 2017 – wurden 2017 705 Pilzvergiftungen erfasst. Im Jahr 2013 waren es noch 460 Fälle, 2007 waren es mit 229 ganze 50 Prozent weniger. Zwar ist die Notrufzentrale für alle Menschen aus Deutschland erreichbar, jedoch stammt mit 68 Prozent aller Anrufer die Mehrheit aus NRW. Giftnotruf Bonn: 022819240
Pilzsachverständige in der Region finden Sie unter: www.dgfm-ev.de/service/pilzsachverstaendige