500 000 Wahlberechtigte in NRW Kölns Einfluss auf die Türkei-Wahl
Türkische Parteien gehen verstärkt in Köln auf Stimmenfang. Die Stadt spielt bei der aktuellen Abstimmung eine wichtige Rolle.
Köln. Zwischen der türkischen Hauptstadt Ankara und der deutschen Rhein-Metropole Köln liegen ziemlich genau 2343 Kilometer Luftlinie. Man mag zunächst nicht glauben, dass Köln für die türkische Politik irgendeine Relevanz hat. Doch in der Stadt haben viele türkische Parteien, Verbände und Organisationen ihren Sitz. Sie alle werben um die Stimmen der knapp 500 000 Wahlberechtigten in Nordrhein-Westfalen, die seit Freitag wählen dürfen.
Harun Tüfekci (43), ein strenger Mann mit Schnäuzer und Halbglatze, sitzt am Schreibtisch seines karg eingerichteten Büros in bester Innenstadtlage. Hinter ihm hängt eine mannshohe Deutschlandkarte, in der Hand hält er einen Zettel, auf dem er während des Gesprächs nichts notieren wird. Diese Räume in der dritten Etage sind die Schaltzentrale des AKP-Wahlkampfes außerhalb der Türkei. Und Tüfekci, der schon dreimal für die türkische Regierungspartei im Parlament saß, leitet diese Zentrale. „Wenn man in der Türkei über Deutschland spricht“, lässt er von seiner Assistentin übersetzen, „kommt jedem sofort Köln in den Sinn“. Fast jeder habe hier Verwandte.
Als in den 60er Jahren die erste Gastarbeiter-Generation nach Deutschland kam, waren die Ford-Werke Köln einer der ganz großen Arbeitgeber. Das wirke bis heute nach, sagt Haci-Halil Uslucan, Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien. Zudem sei Köln geografisch gut gelegen. Ein Ort, von dem aus viele Nachbarländer erreichbar sind. Tüfekci weiß es ganz genau: „80 Prozent der ausländischen Wähler leben in diesen sechs Ländern: Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien, Österreich und Schweiz.“ Deshalb habe die AKP genau hier ihr Büro.
Rund drei Millionen Wahlberechtigte leben außerhalb der Türkei, knapp die Hälfte in Deutschland. Vom 8. bis zum 31. Mai dürfen sie bundesweit an allen 13 Generalkonsulaten ihre Stimme abgeben. Bei der Präsidentschaftswahl 2014 hat das allerdings nicht einmal jeder zehnte Türke im Ausland getan — brachliegendes Potenzial also. Von Köln aus soll es genutzt werden.
Im Kölner Stadtteil Mülheim geht man dieses Projekt etwas hemdsärmeliger, aber auch euphorischer an. Hier, unweit der Keupstraße, die im Köln „Klein Istanbul“ heißt und auf der 2004 der NSU-Terror wütete, sitzt Hüsnü Sahin.
Er leitet das gerade erst eingerichtete, erste NRW-Büro der sozialdemokratische CHP. Hier spricht man in Sachen Wahlkampf nicht von Europa, sondern von „Köln und Umgebung“. Rund 10 000 Handzettel habe man bereits verteilt, auch an Haustüren und bei Ford. Man wolle nicht mehr allein der AKP das Feld überlassen.
Wem es gelingt, die ausländischen Wahlberechtigten — immerhin mehr als fünf Prozent alle Wähler — zu mobilisieren, kann die Wahlen womöglich beeinflussen. Köln spielt dabei eine Schlüsselrolle.