Kölns geheimster Schatz: Das makellose Römergrab
Die Kammer kann nur besichtigt werden, wenn vorher ein Termin vereinbart wurde.
Köln. Tankstellen, Spielhallen, Fast-Food-Restaurants — und dann das besterhaltene Römergrab nördlich der Alpen. Unmittelbar an einer viel befahrenen Kölner Ausfallstraße liegt im Vorort Weiden eine kulturhistorische Top-Attraktion, die kaum jemand kennt. Denn besser versteckt könnte sie nicht sein.
Ein kleines Schild an einer Hauswand und die Aufschrift „Roemergrab“ sind die einzigen Hinweise. Feste Öffnungszeiten gibt es derzeit nicht. Der einzige Weg, in das Grab zu gelangen, führt über eine Nummer bei der Bezirksregierung. Wenn man dort anruft, kann man eine Verabredung mit der Architektin Sabine Abraham machen. Sie ist der einzige Mensch, der den Schlüssel zum Grab hat.
Damit öffnet sie eine grün gestrichene Tür und gibt den Blick auf eine Treppe frei. Es geht unter die Erde. Geheimnisvolles Dämmerlicht umfängt den Besucher, und dann tut sich die Grabkammer auf. Es ist, als wäre man in einem Schwarzweiß-Film — Farbe gibt es hier nicht. Nur Stein in verschiedenen Grautönen.
Jeder eigene Schritte ist hörbar, es ist ja sonst niemand da. Die Kammer datiert aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. An der Rückwand steht ein mit Fabelwesen verzierter Sarkophag, dessen Grabplatte verschoben ist. Da kommt einem alles Mögliche in den Sinn: Der eine mag an Zombies denken, der andere an Jesus: leeres Grab, Auferstehung und all diese Dinge.
Drei Büsten stehen an den Seiten. Vor allem der Männerkopf zur Rechten ist so makellos, dass er geradezu unecht aussieht. Nase, Ohren, alles dran. Auch wenn Experten vermuten, dass das Grab irgendwann in den ersten Jahrhunderten mal von Räubern geplündert worden ist, so geriet es danach doch in Vergessenheit. Auf diese Weise waren die Büsten sicher vor Vandalen aller Art — andere Römerköpfe wurden von den Kölnern hingegen gern mal zur Straßenpflasterung zweckentfremdet. Erst 1843 wurde das Grab wiederentdeckt.
„Es ist ohne Zweifel das am besten erhaltene Römergrab nördlich der Alpen“, sagt Professor Renate Thomas von der Universität Köln. „Denn dass noch ein Sarkophag in der Grabkammer erhalten ist und dann auch noch diese Porträts vorhanden sind, dafür gibt es keine Parallelen.“
Das Einzige, was stört, ist das Rauschen des Autoverkehrs. Dafür aber haben auch die Römer die Grundlagen gelegt. Denn die Straße, die oben vorbeiführt, gab es zu ihrer Zeit auch schon. Sie wurde gesäumt von zahlreichen Grabdenkmälern, kostspielig mit Figuren geschmückt und grellbunt angemalt, denn Gräber waren damals zum Prunken und Protzen da. Wenn man von auswärts kam, musste man also erst einmal über den Friedhof. Warum das Grab heute so ein Schattendasein führt, bleibt ein Geheimnis der Kölner Kulturpolitik. Aber man kann es ja besichtigen.