Kölsche Straßengeschichten - 1.500 Mal "Lindenstraße"
Am Sonntag läuft die 1500. Folge der „Lindenstraße“. Gedreht wird immer noch in Köln und das Herz der Serie schlägt weiter links — sagt zumindest ihr Erfinder Hans W. Geißendörfer.
Köln. Die ARD-Familienserie „Lindenstraße“ gehört zu den Klassikern im deutschen Fernsehprogramm. Morgen um 18.50 Uhr feiert die 1985 gestartete Seifenoper ein Jubiläum: In der 1500. Folge bringt Erzbösewicht Robert Engel (Martin Armknecht) frischen Schwung in die Serie, die in den 80er Jahren von Hans W. Geißendörfer erfunden wurde. Der Produzent mit der charakteristischen Wollmütze hatte sie nach dem Vorbild der britischen Seifenoper „Coronation Street“ entworfen. Die Lindenstraße spielt zwar in München, gedreht wird sie aber auf dem WDR-Studiogelände in Köln-Böcklemünd.
Herr Geißendörfer, wer guckt sich die Lindenstraße überhaupt noch an?
Hans W. Geißendörfer: Das gucken sich immer noch eine ganze Menge Leute an. Es ist eine große und stabile Fangruppe, im Winter immerhin bis zu vier Millionen Leute. Daneben gibt es viele Zuschauer, die gelegentlich mal gucken. Nicht zu vergessen die 350 000 bis 400 000, die „Lindenstraße“ nicht am Sonntagabend schauen, sondern später im Internet.
Im Schnitt schalten aber wesentlich weniger Zuschauer als früher ein . . .
Geißendörfer: Das stimmt, aber seit etwa zwei Jahren ist das ziemlich stabil. Wir haben also zumindest nichts mehr verloren, und das will heutzutage auch was heißen. Uns gibt es jetzt seit bald 30 Jahren, und ich verspreche Ihnen: Uns gibt es auch noch in 20 Jahren.
Einen richtigen Aufreger hatte die „Lindenstraße“ lange nicht mehr. Man denke nur an den ersten schwulen Kuss im deutschen Fernsehen.
Geißendörfer: Klar, weil Sie ein Tabu ja nur einmal brechen können — und so viele gibt es ja nicht. Ich glaube aber sowieso nicht, dass es heutzutage der große Protest oder die große Provokation sein muss. Ein kontrovers diskutiertes Thema reicht ja auch schon, und das haben wir derzeit in der Serie mit dem Streit um den Bau einer Moschee in der Lindenstraße.
Mit seinem gesellschaftspolitischen Hintergund ist das ein typisches „Lindenstraße“-Thema . . .
Geißendörfer: Ja, sicher. Wir bemühen uns nach wie vor, diese sozialpolitischen Elemente, die zur Diskussion einladen, zu berücksichtigen. Das hat die Serie in 30 Jahren immer ausgemacht, das ist „Lindenstraße“ vom Feinsten. Die Haltung ist seit dem ersten Tag ungebrochen.
Also ist die Serie immer noch ein linkes Projekt?
Geißendörfer: Lassen Sie es mich flapsig formulieren: Das Herz aller „Lindenstraße“-Mitarbeiter, inklusive der Schauspieler, ist da, wo es hingehört, anatomisch auf der linken Seite also. Man hat uns des Öfteren auch mal als SPD-Sendung bezeichnet, was ich allerdings zurückweisen würde. Mit Parteipolitik hat die Serie nichts am Hut. Aber die Grundhaltung, und die „Lindenstraße“ ist ja eine der ganz wenigen Serien, die überhaupt eine Grundhaltung haben, ist links. Die „Lindenstraße“ steht für Humanismus, Demokratie, Toleranz und Integration.
Das ist löblich, aber warum nur ist die „Lindenstraße“ nicht so erfolgreich wie ein anderer Dauerbrenner, der „Tatort“ im selben Sender?
Geißendörfer: Ganz einfach, weil das zwei vollkommen verschiedene Genres und Formate sind. Die große Liebe der Deutschen ist nun mal der Krimi, und der „Tatort“ ist eine sehr geschickte Erfindung, weil er regional begeistert. Da erkennen die Zuschauer überall so ein bisschen ihre Heimat wieder — ein geniales Konzept. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen: Der „Tatort“ bekommt, und das hat sich seit dem Hype um die Krimiserie sogar noch verstärkt, jede Menge Werbung. Die „Lindenstraße“ muss mit wesentlich weniger auskommen. Es gibt zum Beispiel kaum Trailer und so gut wie keine zusätzlichen Werbemittel.
Würden Sie selbst in der Straße leben wollen?
Geißendörfer: Ach, wissen Sie, ich komme aus einem Mietshaus und hätte keine Probleme, dahin zurückzukehren — vorausgesetzt, ich hätte einen Schreibtisch am Fenster. Die Menschen, die in Mietshäusern wohnen, sind mit ihren Problemen und Schwierigkeiten nicht anders als die in einem, sagen wir mal, eleganteren Lebensumfeld.