Kriminalität: Die andere Seite der Champs-Elysees
Nachts wird die Nobelmeile zum Rummelplatz für Gangster.
Paris. Schaufenster Frankreichs, Pariser Visitenkarte - die Champs-Elysees kultivieren Glanz und Luxus. 500000 Besucher flanieren allein werktags über die Prachtstraße. Doch hinter der glitzernden Fassade verbirgt sich eine andere Seite. Gewalt und Prostitution verdunkeln zunehmend die Pracht der Pariser Luxus-Vitrine.
In den Augen von Bürgermeister Francois Lebel, in dessen Bezirk die knapp zwei Kilometer lange Prachtallee zwischen Concorde-Platz und Triumphbogen liegt, sind die "Champs" auf dem "Weg, zum Tummelplatz von Ganoven, aggressiven Vorstadtjugendlichen und Prostituierten zu werden". Eine Studie gibt ihm Recht: Die Zahl registrierter Gewalttaten ist vergangenes Jahr um 32Prozent auf 1233 gestiegen ist.
Lebel sieht seine Prachtallee, auf der Ladenmieten bis zu 25000 Euro pro Quadratmeter gezahlt werden, in Gefahr, die Entwicklung von Pigalle zu teilen. Pigalle, einst ein nächtliches Amüsierviertel mit Theatern und Cabarets am Fuße des Montmartre-Hügels, in dem sich Reich und Schön bei Champagner und Cancan amüsierte, ist zu einer Schäbig-Meile verkommen, auf der Sex-Shops und Bars mit Oben-ohne-Service den Takt vorgeben.
Auf den ersten Blick mag Lebels Vergleich angesichts der Luxus-Geschäfte, der Cafés, Restaurants und Kinos zwar abwegig erscheinen. Doch auch Hauptkommissar Guy Parent, der als Chef der Pariser Sittenpolizei ein besonders wachsames Auge auf die Champs-Elysees hat, teilt die Ansicht, dass sich die Nobelmeile nachts in einen Rummelplatz verwandelt, auf dem Schlägereien und Pöbeleien zur Tagesordnung gehören. "Es gibt immer mehr Zwischenfälle", sagt Parent und macht dafür vor allem die erlebnishungrigen Vorstadt-Jugendlichen verantwortlich, die zu später Stunde anreisten, um in den Diskos "einen draufzumachen".
Im Schlepptau der "vergnügungssüchtigen Vorstadt-Jugend" tummelten sich Klein-Gangster, Drogenhändler und Schutzgelderpresser. Vor zehn Tagen war sogar ein Mann mit einem Kopfschuss getötet worden.
"Die Situation hat sich drastisch verschlimmert", sagen Anwohner wie Zahnärztin Isabelle Hagege, die mit ihren zwei Kindern in einer Seitenstraße wohnt.
Die Behörden verhängen Ordnungsstrafen, erhöhen die Auflagen für berüchtigte Diskos und verhängen zeitweilige Zwangsschließungen. Eine Sondereinheit der Polizei ist allein für die Champs-Elysees abgestellt. "Viel mehr können wir nicht machen", sagt Sitten-Kommissar Parent.
Zudem seien die Champs-Elysees das Jagdrevier von Prostituierten neuen Typs. Gut gekleidete junge Frauen buhlten "geschickt und diskret" um potenziell gut betuchte Kunden und hätten nichts gemein mit den Bordsteinschwalben alten Schlages. Auf direkte Anmache, die in Frankreich unter Strafe steht, verzichteten sie. Selbst Kennern der Szene falle so die Unterscheidung zwischen harmlosem Flirt und professionellem Locken schwer.