Kulthalle in slawischer Tempelburg am Kap Arkona entdeckt
Kap Arkona (dpa) - Für die Archäologen war es eine „riesige Überraschung“: Bei Ausgrabungen an der Tempelburg am Kap Arkona auf der Insel Rügen sind sie auf die Überreste eines in der slawischen Welt bislang unbekannten Gebäudes gestoßen.
Sie entdeckten Hinweise auf eine rund acht mal zwölf Meter große Halle, die offenbar kultischen Handlungen diente. „Das Gebäude ist größer als alle anderen Gebäude, die zwischen Elbe und Polen in der Slawenzeit entstanden“, sagte der wissenschaftliche Projektleiter, Fred Ruchhöft, am Dienstag. Ersten Rekonstruktionszeichnungen zufolge könnte das im 11. Jahrhundert vermutlich auf Eichenpfosten errichtete Gebäude eine Höhe von bis zu zwölf Metern gehabt haben.
„Diese Entdeckung ist für uns eine riesige Überraschung und ein großer Erkenntnisfortschritt“, sagte der Landesarchäologe von Mecklenburg-Vorpommern, Detlef Jantzen. Die slawische Tempelburg an der Nordspitze der Insel Rügen gilt als das zentrale Heiligtum der westlichen Slawen.
Die Forscher stießen in der Ausgrabung unmittelbar an der Kliffkante auf jeweils ein Meter mal ein Meter große Pfostengruben. „Der Abstand der Gruben und die leicht schiffsförmig anmutende Fundamentstruktur lässt auf skandinavische Einflüsse schließen“, sagte Ruchhöft. Ähnliche Grundrisse von Zeremoniengebäuden befinden sich im dänischen Tissoe und im schwedischen Uppakra.
Rätselhaft ist, warum ein vermutlich skandinavisches Gebäude in einem slawischen Heiligtum errichtet wurde. Das 11. Jahrhundert war im Nordosten Deutschlands noch „eine tief slawische Zeit“. Die Tempelburg wurde erst gut einhundert Jahre später, im Jahr 1168, endgültig von den dänischen Christen erobert und zerstört. Landesarchäologe Jantzen hält es für durchaus möglich, dass die Burg schon in einer früheren Zwischenphase - im 11. Jahrhundert - in skandinavischer Hand gewesen sein könnte und damals die Halle errichtet wurde.
Die Forscher schließen aus, dass es sich bei der Halle um den Tempel des slawischen Gottes Swantevit handelt. Die Überreste dieses vom dänischen Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus (um 1140 bis 1220) beschriebenen Heiligtums ist vermutlich schon vor mehreren Jahrhunderten unwiederbringlich ins Meer gestürzt. Von der gesamten slawischen Tempelanlage ist nur noch rund ein Drittel erhalten.
Weil sich die Ostsee pro Jahr rund einen halben Meter vom Steilküstenkliff holt, führen die Archäologen seit 2012 Notgrabungen durch. Gefunden wurden bisher rund 200 Münzen aus dem deutschen, arabischen und skandinavischen Raum, 200 Perlen sowie rund 350 Pfeilspitzen und eine Wikingeraxt.