Zuviel Nitrat und Arzneispuren im Wasser
Berlin (dpa) - Deutschlands Trinkwasser bekommt regelmäßig gute Noten. Doch überdüngte Böden lassen in vielen Regionen die Nitratwerte im Grundwasser ansteigen, warnt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Vor allem wegen intensiver landwirtschaftlicher Nutzung seien über ein Viertel der etwa 1000 abgegrenzten Grundwasserkörper hierzulande nicht in dem von der EU geforderten „guten Zustand“. „43 Prozent der Grundwässer weisen bereits Nitratgehalte zwischen 25 und 50 Milligramm pro Liter auf“, sagte Jörg Simon vom BDEW in Berlin.
Viele Wasserversorger könnten den Nitratgrenzwert von 50 Milligramm pro Liter nur durch Notlösungen - etwa das Mischen mit unbelastetem Wasser - unterschreiten. Drei Viertel des Trinkwassers in Deutschland werden aus dem Grundwasser gewonnen.
Der Verband kritisierte massive Verzögerungen bei der Nitrat-Reduzierung, die laut EU-Richtlinie umzusetzen ist. „Trotz der intensiven Diskussionen und des laufenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland erleben wir eine seit Monaten andauernde politische Blockade“, beklagte Simon.
So stehe eine durchgreifende Novelle der Dünge-Verordnung und des Dünge-Gesetzes weiter aus. Zudem werde der „Gülle-Tourismus“ aus Holland, Dänemark oder Belgien darin auch nur unzureichend eingeschränkt, so der Verband. „Aufgrund der langen Sicker- und Fließzeiten durch die Bodenschichten lässt sich Nitrat erst mit Verzögerung im Grundwasser nachweisen“, erläuterte Simon. Das heißt: Selbst, wenn ab sofort kein Nitrat mehr in den Boden gelangt, kann es Jahrzehnte dauern, bis der Nitratgehalt im Grundwasser wieder sinkt.
„Dass zu viel gedüngt wird, kostet die Trinkwasserkunden richtig Geld. Entweder muss unbelastetes Grundwasser über weite Entfernung herangeführt werden oder technisch das Nitrat herausgefiltert werden“, sagte der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff.
Auch die Tatsache, dass fast die Hälfte der Menschen in Deutschland alte Medikamente durch Toilette oder Waschbecken entsorgen - wie das Bundesforschungsministerium im Februar berichtete - macht zunehmend Sorgen. Spuren der Arzneimittel sind auch im Trinkwasser nachzuweisen.
Eine Gesundheitsgefahr für Menschen besteht dadurch laut Umweltbundesamt nach heutigem Kenntnisstand zwar nicht. Doch auch die Deutsche Umwelthilfe warnte bereits davor, dass mit der Zahl älterer Menschen auch die Menge der verordneten Medikamente steigt. Vor allem Antibiotika, hormonell wirkende Substanzen oder Schmerzmittel könnten im Abwasser Probleme bereiten: Heutige Kläranlagen sind darauf nicht ausgerichtet und bedürfen zunächst einer teuren vierten Reinigungsstufe.
Und noch eine weitere Gefahr sieht der BDEW heraufziehen: Überlegungen, für den geplanten Ausbau des Breitbandkabelnetzes bestehende Abwasserkanäle zu nutzen. „Die Verlegung von Kabeln in Abwasserleitungen kann erhebliche technisch-chemische Probleme nach sich ziehen“, warnte der Verband.