Kunterbunt und selbst gemacht: Nähen als Trend

Bremen (dpa) - Kreativität ist in. Viele Menschen wollen individuelle Bekleidung für sich selbst nach eigenem Geschmack entwerfen und schneidern. Nähkurse haben großen Zulauf. Freizeitwissenschaftler bestätigen den Trend zur Handarbeit.

Sechs Nähmaschinen rattern, manche schnell, andere etwas langsamer, hin und wieder zischt das Bügeleisen. Auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes türmen sich bunte Stoffe, Scheren und Garnrollen in verschiedenen Farben. An den Nähmaschinen entstehen nach und nach gemusterte Taschen, ein buntes Kinderkleidchen und ein schwarzer, langer Mantel mit breitem Kragen - wie aus dem Mittelalter.

In dem Kurs von Melanie Bodes in der Bremer Innenstadt können Anfänger und Fortgeschrittene gemeinsam kreativ sein und ihre Ideen umsetzen. Selber machen liegt im Trend, deshalb begeistern sich immer mehr Menschen auch für das Nähen. Eine Untersuchung der BAT Stiftung für Zukunftsfragen im Jahr 2010 ergab, dass sechs Prozent der Deutschen sich täglich oder mehrmals in der Woche mit Handarbeiten beschäftigen, sagt Freizeitwissenschaftler Rainer Hartmann von der Hochschule Bremen.

„Meine Warteliste ist inzwischen drei DIN A4 Seiten lang, davon lassen sich aber die Wenigsten abschrecken“, sagt Melanie Bodes. Wie lange Interessenten auf einen Platz warten müssen, kann Melanie Bodes nicht genau sagen. Sie telefoniere die Liste von vorne nach hinten ab und wer zusage, bekomme den Platz. In der Woche bietet sie fünf Nähkurse für je sechs Teilnehmer an, zusätzlich kann man mit ihr Einzeltermine vereinbaren. Erst seit kurzem ist die 35 Jahre alte Kursleiterin in Vollzeit selbstständig. „In den letzten fünfzehn Jahren ist es mit den Kursen immer mehr geworden, und jetzt ist die Nachfrage eigentlich unbegrenzt.“ Der große Reiz für die meisten sei, selber etwas zu schaffen.

Kursteilnehmerin Christine Bösche schneidert ein kunterbuntes Kinderkleidchen zum Wenden für ihre Tochter. Drei Stunden braucht sie, dann ist das Kleid fertig. „Das finde ich aber überhaupt nicht schlimm“, sagt sie. „Ich nähe ja auch, weil es mir einfach Spaß macht.“

Der einzige Mann in der Runde, Thorsten Geile, arbeitet an einem schwarzen, langen Mantel mit großem Kragen, den er auf mittelalterlichen Märkten tragen will, die er gerne besucht. Für seine Frau hat er schon Taschen, Röcke und Jäckchen genäht. Eigentlich wollte er sich in Bodes Kurs nur beim Annähen eines Ärmels helfen lassen. Weil ihm die Tipps viel geholfen haben, ist er dabei geblieben und besucht nun schon den vierten Kurs.

Dass das Selbermachen gerade einen kleinen Hype erlebt, glaubt auch Freizeitwissenschaftler Rainer Hartmann von der Hochschule Bremen. „Etwas, das vorher als völlig abwegig und bieder galt, wird plötzlich hip, wie das Nähen.“ Zudem passe diese Modeerscheinung in zwei bestehende Trends: „Es gibt seit langem das Bedürfnis nach Einzigartigkeit, etwas Authentisches für sich zu erschaffen. Dabei zieht man sich zurück und lässt sich inspirieren. Das entspricht auch dem Trend zur Entschleunigung.“

Auch im Internet boomen Seiten von und für Hobby-Schneider: Vor allem auf der Plattform „DaWanda“ herrscht in den Foren ein reger Austausch. Kreative bloggen über Projekte und Ideen, und in Online-Shops verkaufen sie, was sie selbst hergestellt haben.

Auch die 26 Jahre alte Hobby-Schneiderin Kathrin Vorsmann hat ihre selbstgenähten Sachen bis vor einem Monat bei DaWanda verkauft. Nun hat sie allerdings einen kleinen Raum in der Nähe des Bremer Bahnhofs gefunden, in dem sie als Zwischennutzerin nähen und verkaufen kann. Online könnten die Kunden die Sachen nicht anfassen, begründet sie ihren Umzug. „Und ich finde es auch richtig gut, wenn ich sehe, dass den Leuten ein Produkt Spaß macht.“

In der „Glasbox“ tummeln sich bunte Eulen-Kissen mit großen Augen, gemusterte Etuis, große Umhängetaschen und kleine Beutelchen für Tabak. Ihre Ideen entstehen meist aus einem praktischen Nutzen heraus: „Ich habe immer diese kleinen Einkaufschips verloren, deshalb habe ich dann das Etui dafür entworfen.“ Gelernt hat sie das Nähen bei ihrer Oma, eigentlich hat sie Kunst und Germanistik studiert, der Laden sei so nicht geplant gewesen. „Aber ich hatte Lust drauf.“