Lächeln und den Überblick behalten
Hilke Hartmann sorgt bei Großveranstaltungen für den richtigen Ablauf. Als Protokollerin bewahrt sie stets die Ruhe.
Nürnberg. In grauem Kostüm und flachen Schuhen, den Knopf des Funkgeräts im Ohr und eine schwarze Aktenmappe in der Hand, steht Hilke Hartmann unauffällig neben der Bühne. Ihre wachen Augen sind ständig in Bewegung, und auf den ersten Blick könnte man die groß gewachsene 44-Jährige für eine Leibwächterin halten.
Doch Hilke Hartmann ist Protokollerin — das sind jene Etikette-Experten, die von der korrekten Anrede der Gäste über die Sitzordnung bis zum zeitlichen Ablauf einer Veranstaltung mit hochrangigen Gästen alles im Griff haben.
Nur ein paar hundert Menschen in Deutschland arbeiten „im Protokoll“. Entsprechende Abteilungen gibt es etwa bei der Bundesregierung und in den Staatskanzleien, aber auch einige sehr große internationale Unternehmen sowie Messegesellschaften haben besonders geschulte Mitarbeiter. „Jeder, der ein Gespür hat für Menschen und Situationen, bringt die Voraussetzungen mit“, sagt Hartmann, die selbst bei der Nürnberger Messe für die Betreuung von Botschaftern, Prinzen oder auch der Bundeskanzlerin zuständig ist.
„Mit den echten Promis ist es total easy“, plaudert Hartmann aus dem Nähkästchen. Die wüssten die Arbeit der Protokoller zu schätzen und seien dankbar, wenn ihre persönlichen Vorlieben berücksichtigt würden. Mit Meckern und Motzen fielen hingegen eher Gäste aus der zweiten Reihe auf, die versuchten, sich wichtig zu machen.
Allerdings sind nicht alle Promis pflegeleicht: Der französische Schauspieler Gérard Depardieu hat Hartmann einmal fast in den Wahnsinn getrieben. Zwei Stunden lang ließ der Stargast einer Veranstaltung den eigens angemieteten Privatjet warten. „Er kam gnadenlos zu spät. Es war absolut furchtbar“, berichtet Hartmann.
Später beim Messerundgang schnappte sich Depardieu dann einen Stuhl und rauchte erstmal eine. „Dem ist es egal, ob da fünf Minister und ein Oberbürgermeister auf ihn warten“, stöhnt Hartmann noch Jahre später. In solchen Momenten hilft nur eins: Lächeln und flexibel reagieren. Kunden und Gäste dürfen von solchen Pannen nichts mitbekommen.
Die wichtigste Eigenschaft eines Protokollers ist deshalb die Fähigkeit, mehrere Dinge auf einmal tun zu können und den Überblick zu bewahren. Vorausgesetzt wird eine gute Kinderstube: „Man sollte keine Probleme haben, in einem Drei-Sterne-Restaurant zurechtzukommen.“ Auch ein offenes und freundliches Wesen sei erforderlich, „weil es wichtig ist, dass man auf Menschen zugehen kann und sich nicht schüchtern zurückzieht“.
Hartmann holt sich ihren Ausgleich beim Chorgesang und bei ihrer Familie, in der die sechsjährige Tochter für Wirbel sorgt. Die studierte Japanologin und Anglistik rutschte eher zufällig ins Protokoll-Fach. Im Generalkonsulat in Osaka war sie für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, betreute nebenher aber noch diplomatische Empfänge. Als sie sich später in Deutschland bei der Presseabteilung der Expo 2000 bewarb, wurde sie prompt für ein Vorstellungsgespräch eingeladen — als Protokollerin.
Inzwischen plant sie Veranstaltungen oder andere Feste mit hunderten, oft hochrangigen Gästen. „Was mich an diesem Job reizt: dass ich mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammenarbeiten kann“, beschreibt Hartmann ihre Motivation für den oft nervenaufreibenden Job, bei dem sie im Laufe einer Veranstaltung mehrere Kilometer im Laufschritt zurücklegt. „Und was mich noch reizt, ist dieses Kribbeln im Bauch, wenn man draußen steht und sieht: Der Orga-Plan funktioniert, alles greift ineinander.“