Land unter nach „Xynthia“

Der Orkan hat an der Atlantikküste Frankreichs verheerende Überschwemmungen ausgelöst. NRW kam glimpflicher davon.

Paris/ Düsseldorf. Der Tag danach. Sie trauern um die Toten, flicken die klaffenden Löcher in den Deichen und suchen fieberhaft nach Vermissten. Mehr als 50 Menschen hat Orkantief "Xynthia" allein in Frankreich in den Tod gerissen, und es ist zu befürchten, dass die Zahl noch steigt.

Ob in Aiguillon-sur-Mer oder in Charron, ob in La-Faute-sur-Mer oder in Ars-en-Ré: überall inszeniert die Katastrophe dieselben Bilder. Polizeihubschrauber fliegen tief über das überschwemmte Land, unten waten Feuerwehrleute in roten Taucheranzügen bis zur Brust im Wasser. 24 Stunden nach der Heimsuchung stehen ganze Stadtteile immer noch meterhoch in der Flut. 220.000 Haushalte in Frankreich sind ohne Strom.

Das Städtchen Charron nördlich von La Rochelle hat das Hochwasser in eine Insel verwandelt. In der "Salle de fêtes", der Festhalle, haben sie für die Evakuierten Feldbetten aufgeschlagen und eine Notküche eingerichtet.

Am Mittag besucht Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Katastrophenregion. Er zeigt sich schockiert beim Anblick der Verwüstungen: "All diese Menschen, die ertrunken sind, das ist niederschmetternd." Der Präsident ruft den Notstand aus und kündigt drei Millionen Euro Soforthilfe an. "Wir müssen uns fragen, wie in Frankreich im 21. Jahrhundert Familien im Schlaf überrascht werden und in ihrem Haus ertrinken können", sagt er.

Auch der Westen und Südwesten Deutschlands wurden von "Xynthia" getroffen. Feuerwehren und Hilfsdienste in Nordrhein-Westfalen rückten zu insgesamt 16.000 Einsätzen aus, bundesweit kamen sieben Menschen ums Leben. Eine Frau aus dem südpfälzischen Landau, die von einem umstürzenden Eisentor getroffen worden war, erlag in der Nacht zu Montag ihren schweren Verletzungen. Im hessischen Biblis riss eine Böe einen Zweijährigen in einen Fluss.

In NRW starben eine Joggerin in Pulheim und eine Autofahrerin in Ascheberg (Münsterland), beide wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen. In Frankfurt wurde der provisorische Zaun eines Gefängnisses teilweise zerstört. Der Schaden sei sofort bemerkt worden, es bestand kein Sicherheitsrisiko, teilte Hessens Justizministerium mit.

Gemessen an der Zahl der Opfer - mehr als 60 in ganz Westeuropa - war "Xynthia" ein noch schlimmerer Orkan als "Kyrill" vor drei Jahren (47 Tote). Die Sach- und vor allem die Forstschäden fallen jedoch deutlich geringer aus. Der Präsident des Technischen Hilfswerks, Albrecht Broemme, forderte am Montag gegenüber dem Sender N24 ein europäisches Unwetter-Frühwarnsystem.