Polizei soll in "Problemvierteln" für Ruhe sorgen Libanesische Clans im Visier der Polizei

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat sich auf die Fahnen geschrieben, in Problemvierteln mit massivem Polizeieinsatz für Ruhe zu sorgen.

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Düsseldorf. Der Duisburger Stadtteil Marxloh gilt immer noch als Synonym für eine „No-go-Area“, also einen rechtsfreien Raum, in dem kriminelle Clans nach eigenen Gesetzen leben. In Marxloh hatten jahrelang zwei libanesische Clans ganze Straßenzüge unter sich aufgeteilt — inklusive brutaler Revierkämpfe. Während es in diesem Problem-Viertel nach massiven Polizeieinsätzen seit gut einem Jahr ruhiger zugeht, spitzte sich die Lage in anderen Städten in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Monaten zu.

Im Erkrather Stadtteil Hochdahl liefern sich seit diesem Sommer zwei libanesische Clans Straßenschlachten — Angehörige einer der Großfamilien sind laut Polizei zudem „Supporter“ (Unterstützer) der berüchtigten Rockerbande „Hells Angels“, nach Angaben des Sprechers der Kreispolizeibehörde Mettmann, Uli Löhe, vermutlich des Chapters Goch im Kreis Kleve.

Am 17. August gerieten rund 100 Personen der verfeindeten Clans — für die Polizei überraschend — in Hochdahl aneinander. Drei Polizisten wurden bei den Auseinandersetzungen verletzt, als sie die rivalisierenden Gruppen trennen wollten. Besonders übel traf es eine Beamtin, die sich um einen verletzten Kollegen gekümmert hatte. „Wir haben von Anwohnern eine Aufnahme bekommen, auf der zu sehen ist, wie ein Hüne von einem Mann der Polizistin äußerst brutal ins Gesicht schlägt“, berichtete Löhe. Die Beamtin musste wegen ihrer erheblichen Verletzungen in einem Krankenhaus behandelt werden und war viele Tage lang dienstunfähig. Löhe: „Wir hoffen, dass wir den Schläger mit Hilfe des Filmmaterials identifizieren können.“ Noch ist dies aber nicht gelungen.

Bei der zweiten Massenschlägerei in Hochdahl am 27. September war die Polizei laut Löhe darauf vorbereitet, was auf sie zukommt. „Wir haben sofort Unterstützung angefordert und waren mit einem massiven Aufgebot an Ort und Stelle.“ Eine Konsequenz aus dieser Aktion war, dass die Personalien von rund hundert an der Schlägerei beteiligten Personen aufgenommen werden konnten. Viele von ihnen wurden mittlerweile nachträglich als Akteure der ersten Schlägerei identifiziert.

Ebenso als Reaktion auf die Massenschlägereien zeigt die Polizei nun eine deutlich erhöhte Präsenz in dem Stadtteil. Auch zivile Kräfte werden verstärkt eingesetzt. Parallel laufen die Ermittlungen gegen die Beteiligten und Strafverfahren wegen Körperverletzung.

Im Dortmunder Norden haben sich im Frühjahr des vergangenen Jahres libanesische Clans laut Polizeisprecher Oliver Peiler einen „kleinen Drogenkrieg“ geliefert. Dabei kam es wiederholt zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, bei denen auch Stich-, Schlag- und sogar Schusswaffen eingesetzt wurden. Peiler: „Die Polizei hatte im Rahmen einer sofortigen Intervention zehn Personen in Gewahrsam genommen und eine Ermittlungskommission eingerichtet.“

Neben der Arbeit der Ermittlungskommission führte die Dortmunder Polizei über mehrere Monate massive Kontroll- und Präsenzeinsätze in den betroffenen Bereichen durch. Starke Kräfte des Polizeipräsidiums Dortmund mit Unterstützung der Bereitschaftspolizei waren täglich vor Ort, verdächtige Personen wurden kontrolliert. „Der hohe Kontroll- und Repressionsdruck führte letztlich zu einer deutlichen Beruhigung der Situation“, sagte Peiler.

In Essen gibt es im Norden mehrere Brennpunkte, an denen libanesische Großfamilien unter besonderer Beobachtung stehen. „Wir haben vor allem Probleme mit den libanesischen Strukturen. Die Clans schotten sich ab und erkennen die staatliche Gewalt häufig nicht an“, sagte der Essener Polizeisprecher Peter Elke. Das gilt vor allem für die Polizei, die sich das freilich nicht bieten lassen will. „Wir zeigen Präsenz und Stärke“, erklärte Elke.

Auch in Essen sind zum Beispiel in der Vergangenheit einige Autokontrollen aus dem Ruder gelaufen. „Man hält einen Wagen an und ist innerhalb von drei Minuten von 50 Leuten umringt“, beschreibt der Polizeisprecher solche Situationen. In Fällen wie diesen wird darauf geachtet, Verstärkung zu bekommen, um der Lage Herr zu bleiben. Die Essener Polizei verfolgt mittlerweile die Taktik der sogenannten Nadelstichkontrolle. Dabei werden auch Mitglieder der Clans, die zum Teil sündhaft teure Autos fahren und diese als Statussymbole empfinden, vermehrt auf Verkehrsverstöße kontrolliert. „Der Hinweis, dass sie bald ihren Führerschein verlieren könnten, macht Eindruck“, sagte Elke. Nicht ändern können die Beamten, dass immer wieder verurteilte Schwerverbrecher, die ihre Strafe im Gefängnis abgesessen haben, in „ihrem Revier“ auftauchen. „Sie können oft nicht abgeschoben werden, und bleiben uns in ihrem abgeschotteten Umfeld erhalten.“

Hintergrund der verstärkten Polizei-Aktionen sind die massiven Übergriffe in der Kölner Silvesternacht. Meist junge Männer aus Marokko und Algerien hatten Frauen sexuell bedrängt und bestohlen. Als Reaktion auf diese Ereignisse hatte die rot-grüne Landesregierung im Rahmen eines 15-Punkte-Planes unter anderem die Stärkung der inneren Sicherheit auf ihre Fahnen geschrieben. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte Ende März dieses Jahres angekündigt, mit „500 zusätzlichen Polizisten auf der Straße und in den Kommissariaten“ für mehr Sicherheit in NRW zu sorgen. Deshalb sollten die Polizeipräsidien verstärkt werden, in deren Zuständigkeit die Kriminalitätsrate höher ist als in anderen Landesteilen.

Zu Schwerpunktbehörden erklärte Jäger damals die Polizeipräsidien Köln, Düsseldorf, Dortmund, Gelsenkirchen, Essen, Duisburg, Aachen und Bochum. Die Einsatzhundertschaften werden seitdem vor allem von den Schwerpunktbehörden eingesetzt. Bis 2018 soll zudem die Bereitschaftspolizei um vier Einsatzzüge mit je 38 Mann ergänzt werden. Bereits in diesem Jahr hatte Duisburg als erste Schwerpunktbehörde einen weiteren Einsatzzug bekommen.