Liebesschlösser - Die Treueschwüre der neuen Art
Die Kölner Hohenzollernbrücke ist für Paare zum Wallfahrtsort geworden. Dort hängen sie Vorhängeschlösser auf.
Köln/Bonn. Nachts um eins auf der Hohenzollernbrücke in Köln: Eng umschlungen stehen Anne und Tobias aus Mönchengladbach bei minus sieben Grad unter dem Silberlicht des Mondes. Anfang 30 sind sie und küssen sich als gäbe es kein Morgen für sie.
Schließlich kramt Tobias in seiner Jackentasche. Ein Vorhängeschloss zieht er heraus und einen dicken Filzstift: Dann halten sie gemeinsam den Stift fest und schreiben: "Wir zwei - für immer! Anne & Tobias" auf das rot lackierte Metall.
Sie gehen am Zaun zu den Bahngleisen entlang und genau neben mit rosa Plüsch ummantelte Handschellen hängen sie ihren schlossgewordenen Schwur. Ein liebevoller Zungenkuss, ein von Herzen kommendes Lächeln, dann drehen sie sich mit dem Rücken zum Rhein und werfen den Schlüssel gemeinsam hinter sich in den Fluss: Nichts soll diese Liebe mehr lösen können. Dann nimmt Tobias die Hand seiner Anne und beide ziehen Richtung Dom.
"Dieses Bild des fest verbundenen Schlosses, für dessen Lösung es keinen Schlüssel mehr gibt, ist ein wunderschönes Symbol", sagt der Volkskundler des Landschaftsverbandes Rheinland in Bonn, Alois Döring. Der Wissenschaftler hat den Brauch gemeinsam mit seiner Kollegin Dagmar Hänel untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass das Anbringen eines individuell gestalteten Vorhängeschlosses weder eine deutsche, noch eine speziell rheinische Tradition ist.
"Der Brauch scheint vom Tiber in Rom an den Kölner Rhein gewandert zu sein", sagt Döring. Denn an der Milvischen Brücke in Rom hängen schon seit Jahrzehnten zahlreiche Schlösser. Dort hat die Last der "Luccetti d´Amore", der Liebesschlösser, sogar schon eine Brückenlaterne zum Einsturz gebracht.
Warum die verliebten Römer die Vorhängeschlösser allerdings anbringen und wie dieser Brauch entstanden ist, ist noch nicht umfassend erforscht. "Möglicherweise entstammt dieser Liebesschwur einem Übergangsritual des italienischen Militärs", sagt Dagmar Hänel. "Absolventen der Florentiner Akademie San Giorgio haben das Schloss ihrer Spinde an die Brückenlaternen der Ponte Vecchio gehängt."
Weite Bekanntheit erlangte der Brauch in Italien durch den italienischen Bestseller-Autor Frederico Moccia. In seinem Roman "Ho voglia de ti" ("Ich steh auf Dich"), beschreibt er, wie ein frisch vermähltes Paar ein "Liebesschloss" in Rom anbringt.
"In Köln gibt es den Brauch erst seit dem vergangenen Jahr", sagt Hänel. Warum er ausgerechnet dort so verbreitet ist, weiß sie auch nicht. Erklären lässt sich aber der Ort. "Die Hohenzollernbrücke hat hier eine besondere Bedeutung, da sie unmittelbar am Kölner Dom und dem Hauptbahnhof liegt." So stehe der Dom für Heimat und Verwurzelung, der Hauptbahnhof für die Sehnsucht nach Weite, Reise und Aufbruch.
In den vergangenen Wochen stellen die Volkskundler fest, dass sich der Brauch in Deutschland anders entwickelt als in Rom. "Dort bringen inzwischen auch Familien ein Schloss an und hängen für jedes Neugeborene ein weiteres Schloss auf." Spannend sind für die Wissenschaftler auch die Schlösser mit Zahlenkombinationen. "Das ist dann natürlich die klassische Hintertür, denn diesen Treueschwur kann man nach Belieben wieder lösen", sagt Dagmar Hänel.