Lokführerin in Bangladesch: Die einsame Wegbereiterin
Salma Khatun ist die erste Lokführerin Bangladeschs. Für ihren Lebenstraum muss sie viel Hass und Vorurteile ertragen.
Dhaka. Salma Khatun bricht in Tränen aus, als sie von den Demütigungen erzählt, die sie täglich über sich ergehen lassen muss. Sie ist Lokführerin in Bangladesch, einem Land, in dem die Gesellschaft Frauen von solchen Berufen ausschließen will. Jedes Mal, wenn die 30-Jährige einen Zug steuert, wird sie beschimpft, Menschen werfen Steine oder bespucken sie.
„Ich habe all diese Schmähungen ausgehalten. Ich wollte eine Vorreiterin sein, damit eine Frau genau wie ein Mann die Züge lenken kann, wenn sie das möchte“, sagt sie. Im konservativen Bangladesch mit seiner mehrheitlich muslimischen Bevölkerung war es Frauen lange Zeit verboten, überhaupt bei der Bahn zu arbeiten. Erst 1995 wurde das Verbot aufgehoben.
Unter den 500 Lokführern, die Passagierzüge auf dem 3000 Kilometer langen Schienennetz der Staatsbahnen steuern, ist Khatun die einzige Frau. Sie fing 2004 als Assistenz-Lokführerin an und ist seit 2011 voll ausgebildete Lokführerin.
Die Vorurteile gegen Frauen sitzen tief. Bangladesch liegt dem World Economic Forum zufolge bei der Gleichstellung auf Platz 86 von 135 Ländern. Zwar wird das Land von einer Frau regiert und es gibt viele Frauen in Führungspositionen — doch dem liegen meist Familienbande zugrunde. In der Gesellschaft regieren Vorurteile und eine radikale Auslegung des Islam.
In dem südasiatischen Land müsse eine Kultur entstehen, in der Frauen als Menschen respektiert werden, sagt Ayesha Khanam von der Frauenrechtsorganisation Bangladesh Mahila Parishad. „Wir müssen die traditionelle Einstellung abschaffen, dass Frauen nur im Haus arbeiten dürfen.“
Salma Khatun erhält viel Unterstützung von ihrer Familie und Kollegen. Das Problem liege bei denen, die eine Frau am Steuerstand nicht akzeptieren könnten. „Sie sehen mich an, als ob es eine Sünde wäre, wenn eine Frau auf dem Fahrersitz der Lok ist.“ Einmal entkam sie nur knapp einem Angriff: Fünf Männer lauerten ihr auf dem Nachhauseweg auf. Kollegen kamen zu Hilfe, die Angreifer flohen.
Khatun hat Tabus gebrochen — mittlerweile machen zehn weitere Frauen die Ausbildung zur Lokführerin. „Die Mädchen machen sich gut. Sie wissen, wie man mit einer Lokomotive umgeht“, sagt Mohammad Abu Taher. Er ist der Chef der Bahngesellschaft in Bangladesch. Die Regierung wolle mehr Frauen als Mechanikerinnen und Lokführerinnen, und er wolle das in den kommenden Jahren umsetzen.
Doch es gibt noch Probleme: Zum Beispiel gebe es keine Damentoiletten, beschwert sich Khurshida Akhter, eine der Lokführer-Azubis. „Wenn wir eine Trainingsfahrt auf einer der langen Strecken machen, die einen Tag oder länger dauert, dann haben wir große Schwierigkeiten.“
Eisenbahnminister Mujibul Haque lobt die Bemühungen der Regierung von Ministerpräsidentin Hasina zur Frauenförderung. „Wir werden schrittweise mehr Frauen bei der Bahn einstellen und ihnen eine gute Umgebung schaffen.“
Khatun, die in einem abgeschiedenen Dorf aufwuchs, wollte nicht warten, bis ihr jemand den Weg ebnet. „Meine Einstellung ist einfach: Wenn eine Frau Staatschefin sein kann, dann können Frauen alles machen“, sagt sie. „Und für mich war die Herausforderung, Lokführerin zu werden.“